Freude in Christus
Verse 1-2: Einleitung
Paulus schreibt an die Philipper von Rom aus. Er ist der Heidenapostel. In diesem Brief hat er es offensichtlich nicht nötig, sich als Apostel zu bezeichnen.
Timotheus ist sein Schreiber. Der Brief wird ihm diktiert. Er ist nicht etwa Mit-Autor. Paulus benutzt in seinem Brief immer die erste Person Einzahl (1,3.6-9.12).
Paulus und Timotheus bekennen sich als Sklaven (δοῦλος) Christi. Was bedeutet das? Sie gehören dem Herrn Jesus Christus, der sie gekauft hat (1Kor 7,23). Sie stehen unter der Herrschaft Christi, um Seinen Willen zu tun. Sie sind nützliche Sklaven, die bereit sind, für ihren Herrn das Leben zu lassen. Das Leiden für Christus wurde im frühen Christentum als Ehre betrachtet. Wenn Frauen Ketten um den Hals tragen, so sind, laut Polykarb, die Ketten der Gefangenschaft, für die Heiligen ein viel schönerer Schmuck.
Ignatius (50-115 n. Chr.) von Antiochia, bittet die römischen Christen, in seinem Brief an die Römer (Kap. 4), sich nicht für ihn einzusetzen, um seinen Tod zu verhindern: „Ich schreibe an alle Gemeinden und schärfe allen ein, dass ich freiwillig für Gott sterbe, wenn anders ihr mich nicht hindert. Ich ermahne euch, mir kein unzeitiges Wohlwollen zu werden. Lasst mich der wilden Tiere Frass sein, durch die es möglich ist, zu Gott zu gelangen. Gottes Weizen bin ich und durch der wilden Tiere Zähne werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot des Christus erfunden werde. … Wenn ich aber gelitten habe, werde ich ein Freigelassener Jesus Christi sein und in ihm als Freier auferstehen. Jetzt lerne ich als Gefesselter, nichts zu begehren.“ (Er wurde unter militärischer Bewachung nach Rom geführt und den Löwen vorgeworfen.)
An die Heiligen in Philippi. Das Wort „heilig“ bedeutet in der Bibel nicht sündlos. Hagios (ἅγιος) heisst geweiht, abgesondert (1Petr 1,14-16).
Die Leiter der Gemeinde werden erwähnt. Die Gemeinde hatte bereits Älteste und Diakone.
Ältester (πρεσβύτερος)
Die Ältesten sind die Leiter und die Diakone ihre Mitdiener. Ein Ältester wird in der Bibel auch als Bischof, Hirte oder Vorsteher bezeichnet.
Apg 20,17.28
Älteste (πρεσβύτερος)
Hirte, Vorsteher (ἐπίσκοπος)
Titus 1,5.7
Älteste (πρεσβύτερος)
Hirte, Vorsteher (ἐπίσκοπος)
1. Petrus 5,1-2
Älteste (πρεσβύτερος)
Weidet die Herde Gottes (ποιμαίνω), wie ein Hirt die Schafe. Weiden ist die Tätigkeit eines Hirten (ποιμήν - gleicher Wortstamm wie ποιμαίνω). Ein Ältester ist ein Vorbild für die andern Gläubigen, weil er älter und erfahrener ist im Glauben (1Tim 3,6).
Diakon (διάκονος)
Ein Diakon ist ein freier und unabhängiger Diener. Im Gegensatz zum Knecht oder Sklave (δοῦλος). Als freiwilliger Diener kann eigentlich jeder Christ bezeichnet werden (Joh 12,26). Auch Jesus wird Diakon genannt (Röm 15,8). Paulus bezeichnet sich und Apollos Diakone (1Kor 3,5). Paulus bezeichnet auch die Schwester Phöbe als Diakonin (Röm 16,1). Hier ist aber ein spezieller Dienst in der Gemeinde gemeint, der mit der Leitung und dem Dienst an den Heiligen verbunden ist (1Tim 3,8-13).
Diese „Grussformel“ des Paulus finden wir im Brief an die Römer, Korinther, Galater und Epheser.
Die Gemeinde in Philippi lag Paulus ganz besonders am Herzen. Ein englischer Kommentator schreibt von der „Sweetheart Church“. In einem andern englischen Journal steht folgender Titel: „Als Paulus nach Hause schrieb”. Damit wird nicht seine Geburtsstätte, Tarsus, in Frage gestellt (Apg 22,3). Zuhause fühlt man sich dort, wo das Herz ist, wo die Familie ist und die Freunde sind.
Verse 3-11: Wie man trotz Ketten Freude empfinden kann
Paulus betet mit Freude (V. 3-5):
Paulus lebt als Gefangener in einer Mietwohnung in Rom. Täglich betet er mit seinen Mitarbeitern für die Gemeinden: Kolosser (Kol 1,3), Thessalonicher (1Thess 1,2-3; 2Thess 1,3), Römer (Röm 1,8-10). An Philemon (Phlm 1,4).
Seine Gebete werden getragen von der Freude und beinhalten Dankbarkeit (εὐχαριστέω), Bitten und Fürbitten (δέησις). Gebete beinhalten: Anbetung, Danksagungen, Bitten. (Siehe Kurs: Gebet, Lektion 4.)
Wenn immer er an die Philipper denkt, dann hat er schöne Erinnerungen. Wie steht es mit uns? Können Prediger, die uns besucht haben, dasselbe über uns sagen? Welchen Eindruck hinterlassen wir bei anderen Menschen? Sind es gute oder schlechte Erinnerungen? Wie denken Besucher über unsere Gastfreundschaft?
Was sind Gründe, warum Paulus so positiv über die Gemeinde in Philippi denkt? Lydia hat ihn und seine Reisebegleiter gebeten, bei ihr einzukehren (Apg 16,15). Zudem hat die Gemeinde ihn offenbar mehrmals finanziell unterstützt: Als er in Thessalonich war (4,16). In römischer Gefangenschaft (durch Epaphroditus übermittelt, 4,18). Paulus freut sich über die Anteilnahme der Philipper am Evangelium (1,5). Sie nehmen Anteil an Freude und Leid des Paulus. Er weiss, dass es nicht selbstverständlich ist, Glaubensgeschwister zu haben. Menschen, die einander wildfremd sind, formieren sich zusammen und bilden eine Gemeinde. Wie nehmen wir als Gemeinschaft Anteil an der Verkündigung des Evangeliums? Durch den regelmässigen Besuch der Versammlungen. Durch unsere Anteilnahme an Diensten in und ausserhalb der Versammlungen (z. B. Gastfreundschaft). Durch die finanziellen Opfer.
Das Vertrauen des Paulus in Christus (V. 6)
Wie schaut Paulus zuversichtlich in die Zukunft? Indem er überzeugt ist, dass der Glaube (Joh 6,29) an Christus ein gutes Werk ist. Warum? Weil der Glaube uns zu Menschen macht, die das Gute suchen (gute Werke; Tit 2,14). Weil der Glaube uns zu Menschen macht, die sich in der Liebe üben (Gott, sich selbst und alle Menschen; 1Kor 13). Weil der Glaube uns zu Menschen macht, die sich den göttlichen Prinzipien des neuen Lebens verschworen haben (z. B. statt Hass und Streit, Vergebung und Liebe; Mt 7,12). Indem er überzeugt ist, dass Gott in den Gläubigen dieses gute Werk angefangen (ἐνάρχομαι) hat und auch vollenden (ἐπιτελέω) wird. Beide Begriffe sind Spezialausdrücke für den Beginn und das Ende eines Opfers. Paulus sieht das Leben jedes Christen als ein Opfer an (Röm 12,1). Jesus ist der Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12,2) und wir sind seine Nachfolger. Gottes Geist arbeitet an und in uns, indem er alles Fleischliche verbrennen lässt, bis nur noch die geläuterte Seele vor ihm steht. Indem er überzeugt ist, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten dient (Röm 8,28-30). Paulus glaubt, dass Jesus, der König, wiederkommt und alle Treuen zu sich in sein Reich nehmen wird (Mt 25,34; 1Kor 1,8; Phil 3,20-21).
Die Liebe des Paulus zu den Philippern (V. 7-8)
Er bezieht die Gläubigen in Philippi in sein Leben mit ein. Sie haben Teil an der Gnade. Sie haben Teil an seinen Ketten der Gefangenschaft. Sie haben Teil an der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums. Deshalb liebt sie Paulus und trägt sie in seinem Herzen, wie ein Hoherpriester das Brustschild mit den 12 Edelsteinen auf der Brust (Ex 28,15-29). Paulus liebt sie herzlich, inniglich, mitfühlend (σπλάγχνον). Er liebt sie mit der innigen Liebe Jesu Christi. Dies ist die Agape-Liebe, mit der alle Gläubigen aufgefordert werden, einander zu lieben (Kol 3,12-15).
Das Wachstum der Gläubigen zur Ehre Gottes (V. 9-11)
Es ist des Paulus Gebetsanliegen, dass die Philipper im Glauben wachsen. Mit seiner Haltung setzt er uns allen ein Vorbild für unsere Beziehungen. Statt nachtragend, kritisierend und ablehnend voneinander zu denken, sollen wir einander betend das allerbeste wünschen. Wie wachsen wir im Glauben? = Indem wir in der Agape-Liebe zunehmen. Woraus besteht diese Liebe? = Aus Erkenntnis und Einsicht: Spr 16,16. Liebe ist nicht bloss ein gutes Gefühl. Liebe braucht klare Anleitungen und genaue Wegweisung. Liebe ist eine Entscheidung. Weil wir Menschen die vollkommene Liebe nicht besitzen, müssen wir die Liebe lernen (Jes 55,8). Es geht nun darum, dass wir uns umwandeln lassen und umdenken lernen, weil wir immer das wollen, was nicht gut ist (Jak 4,1). Liebe bedeutet für uns Veränderung. Kein Wachstum ohne Veränderung (Bsp. Pflanzen). Worin besteht diese Erkenntnis und Einsicht? Sie besteht im Definieren und Verstehen, was Liebe ist (1Kor 13). Sie besteht im Urteilsvermögen, was gut und böse ist (Jak 3,17).
Wie sieht der geistliche Wachstumsprozess aus? Wie neugeborene Babys, tragen wir zuerst Verlangen nach der vernünftigen und unverfälschten Milch: 1Petr 2,1-3. Als heranwachsende Glaubenskinder reden wir wie Kinder: 1Kor 13,11. Der Geist Gottes will aber nicht, dass wir unmündige Kinder bleiben: Eph 4,14-15.23-24. Als Kinder haben wir die Vergebung Gottes angenommen und den Vater erkannt (1Joh 2,12.14). Als junge Männer (Frauen) haben das Böse besiegt und sind stark (1Joh 2,13b.14c). Als Väter (Mütter) erkennen wir den ewigen Gott (1Joh 2,13.14b). Als Erwachsene im Glauben essen wir schliesslich feste Nahrung und sind fähig, gut und böse zu unterscheiden: Hebr 5,13-14. Inwiefern sollen wir wie Kinder werden? – Mt 18,3-4; 1Kor 14,20.
Wie wächst die Liebe? Das grösste Wachstumspotenzial liegt meistens dort, wo Probleme gelöst und Krisen überwunden werden müssen. Liebe wächst und erstarkt, wo sie sich gegen Hass und Verurteilung durchsetzen muss (Apg 7,60). Liebe wächst in der Fürbitte füreinander, nicht im nachtragend sein und einander verurteilen. Liebe wächst, wo Dankbarkeit einen hohen Stellenwert hat, nicht Nörgelei und negative Kritik.
Woran erkennt man einen geistlich gewachsenen Gläubigen?
- An den Früchten: Mt 7,16-20; Jak. 1,22 (Gal 5,22).
- An der Unterscheidungsfähigkeit: Röm 12,2; 1Joh 4,1; Offb 2,2.
- An den bestandenen Prüfungen: 2Kor 13,5-6; Jak 1,2-4.12.
- An der Frucht der Gerechtigkeit: Hebr 12,11.
In diesem Sinn betet Paulus für die Philipper, dass sie im Glauben wachsen und allezeit gerüstet sind für den grossen Tag der Wiederkunft Christi. (NGÜ): „Und das ist meine Bitte an Gott: dass er eure Liebe, verbunden mit der rechten Erkenntnis und dem nötigen Einfühlungsvermögen, immer grösser werden lässt. Dann werdet ihr ´in allem` ein sicheres Urteil haben und werdet ein reines, untadeliges Leben führen, bereit für den Tag, an dem Christus wiederkommt. Durch ihn, Jesus Christus, wird euer Tun von dem geprägt sein, was gut und richtig ist – zum Ruhm und zur Ehre Gottes.“
Verse 12-20: Mit den Augen des Paulus
Vielleicht haben wir den Ausspruch schon gehört: „Wenn das Leben dir Zitronen zukommen lässt, dann mache eine Limonade daraus.“ Der reine Zitronensaft ist sauer. Aber Zitronensaft mit Wasser und Zucker vermischt, ergibt ein leckeres und erfrischendes Getränk. Nur so können wir aus den bitteren Erlebnissen das Beste aus dem Leben machen. Genau das tat Paulus mit seinem Leben.
Seit Paulus sich zu Christus bekehrte, empfing er wagenweise Zitronen. Seine Bekehrung selbst war dramatisch, als er erblindete (Apg 9). Zuerst hatte er mit Ablehnung und Misstrauen unter den verfolgten Christen zu kämpfen. Dann bekam er oft Peitschenschläge und wurde für seine Glaubensüberzeugung ins Gefängnis geworfen und aus Städten vertrieben. Paulus schreibt den Korinthern: 2Kor 11,23-30.
Seine letzte Demütigung ist eine ungerechte Gefangenschaft: Zwei Jahre lang war er in Cäsarea inhaftiert (Apg 23,12 - 26,32). Juden verschworen sich gegen ihn. Schliesslich reiste er als Gefangener unter schwersten Bedingungen nach Rom (Sturm, Schiffbruch). Zwei Jahre lang wird er nun schon in Rom festgehalten (Apg 28,30). Er wollte nach Rom, als Prediger, nicht als Gefangener. Nun war er ein alter Mann geworden (Phlm 9).
Während andere in Selbstmitleid verfallen wären, enthält der Brief an die Philipper keine Bitterkeit, sondern Freude. Paulus pflegt die Gesinnung Christi trotz Fesseln (2,5; 3,15a; 4,8). Es gibt zwei Stellen, in denen die Art der Fesseln besser zum Ausdruck kommen: Apostelgeschichte 28,20 (Halusis), Epheser 6,20 (Halusis). Halusis war das kurze Stück der Kette, mit dem das Handgelenk des Gefangenen an das Handgelenk des Wachsoldaten gekettet wurde, so dass eine Flucht unmöglich war. In beiden Stellen wird dasselbe griechische Wort für Ketten (ἅλυσις), Fesseln gebraucht.
Wozu dienen all die „Zitronen des Lebens“, die der Apostel erhält? Mit den Augen des Paulus gesehen, dienen sie „zur Förderung des Evangeliums“! Inwiefern?
1. Verbreitung im Prätorium!
Die Prätorianer bildeten die kaiserliche Schutzwache in Rom. Sie wurde von Kaiser Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.) eingesetzt und bildete eine Militärtruppe von 10 000 Mann. Diese Elitesoldaten wurden unter anderem als kaiserliche „Body-guards“ eingesetzt. Paulus wurde von solchen Soldaten 24 Stunden lang bewacht. Alle sechs Stunden war Wachablösung. Somit waren täglich 4 Soldaten über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahre mit Paulus beschäftigt. Bestimmt wurden sie nach einer gewissen Zeit ausgetauscht. Paulus, der sich des Evangeliums nicht schämte (Röm 1,14-16), hatte so einen bedeutenden Einfluss auf die Soldaten. Denn nicht nur Paulus war an die Soldaten gefesselt, sondern die Soldaten waren auch an ihn gefesselt. Wie wir Paulus kennen, so verkündigte er ihnen bestimmt das Evangelium. Paulus nutzte die Gunst der Stunde und machte aus seiner Gefangenschaft eine gute Gelegenheit für Gottes Wort.
Die Soldaten waren abwechselnd anwesend, als Paulus in der Wohnung Besuch empfing und Bibelstunden abhielt (Apg 28,17-31), als Paulus mit den übrigen Mitarbeitern für die Gemeinden betete (1,3-4; Kol 1,9), oder gar Lieder sang (Apg. 16,25), als Paulus mit seinen Mitarbeitern über das Reich redete (einleitend haben wir festgestellt, dass etwa 10 Mitarbeiter bei ihm in Rom waren), als Paulus seine Briefe diktierte (wie z. B. der Philipperbrief). Bestimmt sprach es sich bei den übrigen Soldaten im Prätorium herum, dass ein führender Gläubiger in einer römischen Mietwohnung gefangen gehalten wurde.
2. Verbreitung weit über das Prätorium hinaus.
In Rom verbreiteten sich Neuigkeiten schnell. Die Soldaten erzählten ihre Erfahrungen ihren Frauen und Kindern zu Hause usw. So verbreitete sich die aussergewöhnliche Situation des Paulus und das Evangelium Christi immer weiter in die Welt hinaus. Von einem weggelaufenen Sklaven, mit dem Namen Onesimus, lesen wir in Philemon 10-21.
3. Zuversicht und Mut bei den Gläubigen!
Viele Gläubige, die von Paulus aussergewöhnlichem Leben für Christus gehört haben, wurden ermutigt und gestärkt. Sie traten furchtloser auf und redeten mit andern über das Evangelium. Offenbar wurde Paulus darüber informiert.
Schlussfolgerungen:
Wir lernen, dass unsere Gesinnung und unser Leben eine ungeheuer wichtige Vorbildfunktion auf andere haben kann. Selbst Niederlagen können in Sieg umgewandelt werden, wenn wir sie mit den positiven und gläubigen Augen des Paulus betrachten. Wie konnte die Gefangenschaft des Paulus andere ermutigen und so der Förderung des Evangeliums dienen?
Aus echten und unechten Motiven wird Christus verkündigt. Auf welche unechten Motive bezieht sich Paulus? Predigen aus Neid, Streitsucht, zum eigenen Vorteil, in unlauterer Gesinnung. Die Eifersucht der Juden – gegenüber Jesus: Mt 16,1; 22,15-18; 26,3-4; 27,18, gegenüber den Aposteln: Apg 4,1-2; 5,17-18; 13,45; 17,5.
Wen könnte Paulus meinen? Die Juden können hier nicht gemeint sein, da sie Christus gar nicht predigten, sondern ein anderes „Evangelium“ der Beschneidung (Gal 1,6-9; 5,2-4). Es könnten freie Wanderprediger gewesen sein, die Paulus verachteten und ihm Schaden zufügen wollten. Es könnten aber auch Prediger in Rom gewesen sein. Vor ca. 5 Jahren schrieb Paulus an die Gemeinde in Rom. Er nannte am Ende seines Briefs zwei Dutzend Leute (Röm 16,3-16). Paulus war leider nicht bei allen beliebt. Vielleicht löste er bei einigen Eifersucht aus. Vielleicht fühlten sich einige in ihrem Einfluss als Leiter bedroht. Warum dachten diese Leute, dass sie mit ihrer Verkündigung, Paulus in Bedrängnis bringen könnten? Sie nahmen an, der Apostel habe dieselben falschen Motive wie sie. Weil sie vielleicht annahmen, dass durch ihre kraftvollen Worte, die Behörden aufmerksam werden könnten und die Gefangenschaft des Paulus dadurch härter würde.
Wenn Paulus sagt, dass er sich nicht beirren lässt, meint er dann, dass die Gesinnung eines Predigers nicht von Bedeutung ist? Nein! Paulus versucht, trotz falschen Motiven, positives abzugewinnen. Er freut sich immer darüber, wenn Christus verkündet wird. Solange das Evangelium Christi verkündet wird, gibt es allen Anlass zur Freude. Viel schlimmer ist es, wenn Irrlehrer dem Evangelium fremdes lehren. Die Gesinnung ist äusserst wichtig für einen Prediger! Wer predigt, um andern eins auszuwischen, der ist falsch am Platz. Wer predigt, um sich bei andern beliebt (Ehre) oder (Anerkennung) gross zu machen (Schmeichelreden usw.), gehört nicht eingesetzt. Wer predigt, um sich zu rechtfertigen und sich mit andern über eine Sache zu streiten, nützt seine Situation aus. Paulus warnt vor Lehrern und Predigern mit falschen Motiven: Röm 16,17-18; 1Kor 3,3-4.
Die lautere Gesinnung eines Predigers: Er predigt nicht sich selbst, sondern verherrlicht Christus: 2Kor 4,5. Er predigt nicht aus Pflicht oder weil er vielleicht dafür bezahlt wird, sondern weil er selbst an Christus glaubt: 2Kor 4,13. Er dient seinen Zuhörern, ohne sich von den anderen Meinungen der Menschen beeinflussen zu lassen: Phil 2,3-4.
Paulus blickt mit Freude und Zuversicht in die Zukunft, weil sie zu seiner „Rettung“ (σωτηρία) führt. Rettung aus dem Gefängnis? Befreiung von den Verleumdungen? Errettung aus der Schmach vor dem Kaiser Nero? Ewige Erlösung? – Ja! Paulus glaubt mit seinem ganzen Herzen daran (Phil 1,23; Röm 5,9). Die Gebete der Philipper und der Geist Christi geben ihm viel Kraft, am ewigen Heil festzuhalten.
Paulus hatte nur einen Wunsch, welchen? Christus soll so oder so durch seinen Leib verherrlicht werden: 1Kor 6,20. Was immer mit ihm geschieht, Paulus vertraute darauf, dass alles zum Besten dient: Römer 8,28. Wie sehr vertrauen wir Gottes Wille und Führung? Wie machen wir aus unserem Leben das Beste? Paulus ist uns ein Vorbild, der aus einer ganzen Wagenladung Zitronen, eine süsse Limonade machte!
Verse 21-30: Sein oder nicht sein
Neue Genferübersetzung: „Denn der Inhalt meines Lebens ist Christus, und ´deshalb` ist Sterben für mich ein Gewinn. Andererseits kann ich, solange ich noch hier auf der Erde lebe, eine Arbeit tun, die Früchte trägt. Daher weiss ich nicht, was ich vorziehen soll. Ich bin hin- und hergerissen: Am liebsten würde ich das irdische Leben hinter mir lassen und bei Christus sein; das wäre bei weitem das Beste. Doch ihr braucht mich noch, und deshalb – davon bin ich überzeugt – ist es wichtiger, dass ich weiterhin hier auf der Erde bleibe. Darum bin ich auch sicher, dass ich nicht sterben werde, sondern euch allen erhalten bleibe. Denn dann kann ich dazu beitragen, dass ihr im Glauben vorankommt und dass euch durch den Glauben eine immer tiefere Freude erfüllt. Ja, wenn ich wieder bei euch bin, werdet ihr noch viel mehr Grund haben, auf Jesus Christus stolz zu sein und ihn für das zu preisen, was er durch mich für euch getan hat.“
Paulus wird gefangen gehalten, um seinen Prozess abzuwarten. Er muss der Tatsache ins Auge sehen. Der Ausgang des Prozesses ist sehr ungewiss. Er ist sich nicht sicher, ob er leben oder sterben wird.
Paulus listet die Vorteile beider Ausgänge auf, indem er sich fragt: Was kann mir passieren? – Dabei kommt er zu folgender Schlussfolgerung: Weiterleben bedeutet für ihn Dienst an Christus und seinem Reich! Dienst bedeutet harte Arbeit. Arbeit, die Frucht bringen wird. Frucht, die Paulus sehen und erleben wird. Sterben bedeutet für ihn Gewinn, Sieg in Christus! Er muss nicht mehr kämpfen und leiden für das Evangelium: 2Kor 11,23-28; Phil 1,29-30. Er darf Christus sehen, ohne dass seine Augen blind werden (Apg 9,3-5). Er hat die Lebensprüfung bestanden und erhält den Siegeskranz (2Tim 4,7-8): Offb 14,13 (sterben im Herrn!). In jedem Fall findet Paulus einen positiven Ausweg aus seiner Situation.
Zwischen zwei Begierden (ἐπιθυμία) hin und her gerissen: Paulus möchte am liebsten - einerseits die Frucht sehen, aus dem Samen, den er gesät hat (dann müsste er bis zur Wiederkunft Christi leben, denn diese Frucht ist heute noch an uns sichtbar!), anderseits bei Christus sein, um ihn endlich zu sehen, wie er ist (er kannte Jesus nur von seiner Erscheinung). Wie konnte sich Paulus so sicher sein, dass es wunderbar sein musste, dieses Leben zu verlassen? Er wurde schon in den dritten Himmel entrückt: 2. Korinther 12,1-4. An manchen Stellen redet er über den Tod, als einen Schlaf (1Kor 15,51-52; 1Thess 4,14.16). Damit behauptet er nicht, dass es keine Zwischenstufe (wie den Hades) gibt, wo die endgültige Zusammenführung mit Christus für alle Gläubigen stattfinden wird (1Thess 4,17; 5,10; Lk 16).
Wie würde ich diesen Satz beenden?
Für mich ist der Inhalt meines Lebens ….....…....……. und das Sterben ……….............…… (Matthäus 16,26).
Wenn das Leben Geldverdienen bedeutet, dann ist das Sterben? – (ein Verlust).
Wenn das Leben Vergnügen bedeutet, dann ist das Sterben? – (ein Verlust).
Paulus sagt, dass die Entscheidung bei Gott liegt, und es nicht seine Sache ist, zu sagen, was er möchte. Paulus möchte nur das tun, was Gott für ihn vorgesehen hat, damit Christus an seinem Leib verherrlicht wird. Weil er sich seiner Berufung sicher ist, weiss er auch schon, was nötiger ist; nämlich die Gläubigen in den Gemeinden zu stärken, den Glauben in ihnen zu fördern, die Freude an Christus in Lob überströmen zu lassen.
Jesus Christus ist für Paulus - der Anfang seines Lebens, die Berufung und Aufgabe seines Lebens, die Herausforderung seines Lebens, die Motivation in seinem Leben, die Kraft für sein Leben, das Ziel in seinem Leben, der Lohn des Lebens.
Schlussfolgerungen:
Paulus ist nicht lebensmüde. Im Gegenteil! Er hat sein Leben Christus übergeben und akzeptiert, ohne zu wissen, wie es für ihn ausgehen wird, was Gott mit ihm vorhat. Er vertraut auf die Führung Gottes und macht nicht seine eigenen Pläne: Jakobus 4,15.
Selbstmord ist für einen Christusgläubigen niemals eine Option. Ein Christ überlässt die Entscheidung, ob er weiterleben soll oder nicht, allein Gott. Auch Euthanasie (glückliches Sterben, Sterbehilfe) ist keine Option für einen Christen (höchstens im Komma, Maschinen abschalten lassen). Unsere Entscheidung zu leben, sollte sich nicht nur auf der Basis ausrichten, was am besten für mich ist, sondern, was für mein Umfeld (die Andern) das Beste ist: Gal 2,20.
Neue Genferübersetzung: „Aber das Entscheidende ist: Lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium von Christus steht! Dann werdet ihr – ob ich nun komme und euch besuche oder ob ich nur aus der Ferne von euch höre – einmütig zusammenstehen. Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet, und werdet euch durch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen. An dem allem zeigt sich, dass sie verloren gehen und ihr gerettet werdet; so ist es von Gott selbst gefügt. Er hat euch die Gnade erwiesen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für Christus zu leiden. Ja, ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich – den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war, und in dem ich – wie ihr gehört habt – immer noch stehe.“
Paulus sagt: Eins ist besonders wichtig. Eins ist von entscheidender Bedeutung. Das Entscheidende ist … Es gibt Menschen, die stürzen sich gerne auf eine generelle Aussage, auf den grossen Überblick, auf die Schlussfolgerung und vergessen alles andere. Andere behaupten: Christsein ist nicht kompliziert, sondern mit einem Begriff ausgedrückt: Liebe. Dazu brauche es keine weiteren Anleitungen, Auslegungen, Bibelstunden und Kirchengänge mit Moralpredigten usw. Jeder wisse selbst, was zu tun sei, wenn er Jesu Zusammenfassung kenne: Matthäus 22,37-39. Bedeutet diese Zusammenfassung Jesu, dass die Zuhörer alles andere vergessen sollen, was Gott in seinem Wort lehrt? Nein! Der Prophet sagte es mit einem Satz: Micha 6,8. Meinte er mit seiner inspirierten Aussage, dass die Israeliten im AT alle übrigen 600 Gesetze vergessen sollten, die Mose und die Propheten für das Volk aufgeschrieben haben? Nein! Welche Rolle spielt das Gesetz Mose für uns Christen im NT? – Matthäus 5,17-19a.
Paulus meint keinesfalls, dass die Philipper alles andere vergessen sollten, was in seinem Brief geschrieben stand. Damit werden keinesfalls alle übrigen Aussagen, sei es im Brief selbst, im NT, in der Bibel, minimiert. Es wäre absurd zu behaupten, es müsse nur diese zusammenfassende Aussage beachtet werden; die übrigen biblischen Lehren seien nebensächlich. Der moderne Mensch neigt dazu, so zu denken, um sich nicht tiefer mit Gottes Wort auseinandersetzen zu müssen.
Paulus erklärt, ob er nun weiterleben oder sterben werde, ob sie ihn wiedersehen werden oder nicht, eines legt er ihnen besonders ans Herzen: „Lebt euer Leben so, wie es dem Evangelium entspricht.“ „Lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium steht.“ „Lebt so, dass das Evangelium gefördert wird.“ „Lebt so, dass die Menschen sich zum Evangelium hinzugezogen fühlen.“ „Euer ganzes Verhalten soll so sein, dass ihr euch Christus ganz hingebt.“
Paulus erinnert sie daran, dass sie Bürger (πολιτεύομαι) sind. Philippi war eine römische Kolonie. Als römische Bürger in Philippi waren sie stolz. Sie sprachen die lateinische Sprache. Sie trugen römische Kleider usw. Wie sie als römische Bürger ihre Vorrechte und Verantwortung kannten und lebten, so sollen sie sich als himmlische Bürger verhalten. Sie sollen, wo sie auch leben, so leben, wie es sich für Bürger des Reiches Gottes geziemt. Ein Bürger des Reichs fragt in allen Situationen: Wie verhält sich nun ein Bürger des Reiches Gottes? Denn „unsere“ Heimat ist im Himmel: Phil 3,20; Eph 2,19; 4,1; Kol 1,10; 1Thess 2,11-12.
Paulus will, dass sie in einem Geist vereint bleiben (siehe auch 2,1-4): Dies war auch der Wunsch Jesu: Joh 17,20-21. Dies war auch der Wunsch ersten Christen: Apg 2,46; 4,32. Dieser Aufruf gilt auch uns: Röm 12,4-5; 15,5; 1Kor 1,10; Eph. 4,3-6.
Paulus will, dass sie mit einer Seele gemeinsam kämpfen: Der Feind lauert ausserhalb des Lagers: 1Petr 5,7; Eph 6,11-13. Christen sollen gemeinsam kämpfen und nicht gegeneinander: Jud. 3. Einige haben gesehen, wie Paulus gepeinigt und gefangengenommen wurde, um des Glaubens willen (Apg 16,19).
Laut Paulus und den übrigen Schreibern ist es eine Gnade, für das Evangelium zu leiden: Römer 5,3; 2Tim 3,12 (Jak 1,2; 1Petr 4,13). Ein General setzt seine besten Soldaten ein, für die schwierigste und härteste Mission. Ein Chef setzt seine besten Leute ein, für eine besondere Herausforderung. Wie es in der Welt eine Ehre ist zu den Auserwählten zu zählen, so ist es eine Ehre für Christus zu leiden, für eine ganz besonders harte Mission.