Christliche Frau-03: Frauen mit Depressionen (Teil 1)

Die christliche Frau

3. Frauen mit Depressionen (Teil 1)

 

 

 Einleitung

Die Depression ist in unserer westlichen Gesellschaft ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem geworden. Weltweit haben etwa 350 Millionen Menschen eine Depression. Auch Christen sind davon betroffen. Statistisch gesehen sind es mehr Frauen als Männer, die an einer Depression leiden (Vielleicht hängt das auch vom grösseren Eingeständnis der Frauen ab). Diese Krankheit raubt vielen Frauen das Empfinden für ihre Würde und die Freude am Leben.

Zuerst wollen wir uns mit dem Problem etwas näher auseinandersetzen, bevor wir biblische Lösungen anbieten.

 

I.   Viele Frauen haben Depressionen

Was ist eine Depression?
Wir sprechen hier nicht bloss von ein paar deprimierten Gefühlen, oder von einem Tag, der schlecht begonnen hat und man sich kurzfristig unglücklich fühlt. Jeder von uns hat von Zeit zu Zeit solche Tage, an denen er sich nicht besonders gut fühlt. Wir sprechen von einem ernsthaften Zustand, der vielleicht so umschrieben werden könnte:

Depression ist ein generelles Gefühl der Unbehaglichkeit - man fühlt sich unwohl und ist unglücklich, besorgt, beängstigt, hoffnungslos, alles sieht bedrohlich aus, es herrscht eine gedrückte Stimmung, zum Teil auch Reizbarkeit. Depressive Menschen sind pessimistisch und haben deshalb ein pauschal negatives Selbstbild, ein pauschal negatives Bild des Umfeldes, ein pauschal negatives Bild der Zukunft.

Eine Depression ist viel stärker und dauerhafter als eine gelegentliche Unzufriedenheit, die sich in ein paar Stunden wieder auflöst. Eine Depression legt eine Person lahm, sie ist interesselos und freudlos. Je nach dem, ist sie kaum mehr fähig, die einfachsten Alltagsaufgaben zu erledigen. Sie hat eine Antriebsminderung und ermüdet rasch. Auch Beziehungen können eine Last sein. Sie hat auch keine Lust, sich hübsch zu machen und das Haus zu verlassen. Alles endet in der Hoffnungslosigkeit. Diese Frucht der Depression kann mehrere Tage oder gar Wochen anhalten und das Leben einer Frau völlig lahmlegen.

Die schlimmsten Symptome aber sind:

- Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl,

- übermässige Schuldgefühle und Selbstvorwürfe,

- verringerte Denk- und Konzentrationsfähigkeit,

- eingeschränkte Bewegungen oder vermehrte Unruhe,

- Schlafstörungen, Appetitverlust (manchmal auch das Gegenteil) und Suizidgedanken.
 

Was hielten die Leute früher von einer Depression?

„Okkult belastet?!“
Antike und mittelalterliche Unwissenheit und Ratlosigkeit vermuteten oft okkulte Ursachen (Depression wurde mit Exorzismus therapiert). Christen in unserer Zeit meinen manchmal heute noch, dass dämonische Hintergründe mitspielen. Das kann dann besonders problematisch werden, wenn der Depressive ohnehin von Schuld und Selbstvorwürfen geplagt wird, oder wenn die Möglichkeit einer Heilung durch den Glauben zu stark betont und gesucht wird, so dass die depressive Person sich grosse Vorwürfe macht, wenn das nicht funktioniert. Ein okkulter Hintergrund ist nicht völlig auszuschliessen, trifft wahrscheinlich aber in den allermeisten Fällen nicht zu.

„Das ist die Folge einer Sünde!“
Es mag sein, dass die Behauptung, gesündigt zu haben, zutrifft. Schuld ist eine mögliche Ursache von Depression unter vielen anderen. Oft sind es aber mehrere Faktoren, die jemand fast erdrücken. Zudem wird uns in der Bibel von Hiob berichtet, der ohne Schuld depressiv wurde. Ein pauschales Vorurteil ist zu einfach und unangebracht.

„Falsch gelebt?!“
Hat dieser Mensch nicht falsch gelebt und darum ist er depressiv? Auch das mag oft ein Faktor unter anderen sein, für die eine Person, in gewisser Weise, selber schuld ist. Diese Feststellung hilft aber keiner Person aus ihrer Depression heraus. Es ist vielmehr ein Todesurteil, wie das die Schriftgelehrten und Pharisäer mit der Frau taten, die beim Ehebruch ertappt wurde (Joh 8,1ff.). Oft sind aber die Faktoren eines falschen Lebens nicht so einfach erkennbar wie bei der Ehebrecherin. Der seelisch Kranke gleicht einem Menschen, der durch einen Wald laufen wollte und den Weg verlor. Nun irrt er umher und ruft um Hilfe. In der Seelsorge und Therapie geht es dann nicht so sehr um die Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“ Sondern: „Wie komme ich da wieder heraus? Wie geht es weiter?“

„Das ist doch keine Krankheit!“
Es ist eine Vermessenheit und Arroganz depressive Menschen nur nach dem Äusserlichen zu beurteilen. Es ist eine Tatsache, dass seelisch gesunde Menschen es sehr schwer haben, die Symptome depressiver Menschen zu verstehen. Weil das so ist, muss an unsere Rücksichtnahme besonders appelliert werden, mit der Begründung, dass wir es einfach nicht verstehen können. Viel einfacher können wir eine Erkältung verstehen, Windpoken und andere körperliche Krankheiten, die unsere Augen und Ohren bestätigen.

„Therapien helfen nicht!“
Das hat sich mittlerweile stark geändert. Es gibt heute wirklich gute Psychotherapeuten und Behandlungsmethoden, die einem Patienten helfen können. Sicher würde ich einer depressiven Person keinen antichristlichen Psychotherapeuten empfehlen. Denn bei einer Therapie muss die Versöhnung mit Gott und den Menschen unbedingt miteinbezogen werden, wenn es um die Schuldfrage geht (Ps 32; 38; 51): Psalm 38.

 

 II.   Was Depressive brauchen

Spr 25,11: „Goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort, das zur rechten Zeit gesprochen wird.“

Nicht immer ist Reden Silber und Schweigen Gold. Auch das Reden kann Gold sein, wenn es zur rechten Zeit gesprochen wird und in der rechten Art. Das bedeutet nicht, dass es nur um ein Wort geht mit rechtem Inhalt. Der rechte Inhalt zur falschen Zeit und in der falschen Art ist auch ungeniessbar. Aber goldene Äpfel auf silbernen Schalen:

- Da greift einer gern zu.
 

- Das lässt sich jemand gefallen.
 

- Das wird angenommen.
 

- Solche Worte helfen.

Der Depressive braucht Menschen, die zur rechten Zeit und in der rechten Art mit ihm reden.

Spr 25,12: „Ein goldener Ring, ein Geschmeide (Halsband) aus Feingold, so ist ein weiser Mahner für ein Ohr, das hört.“

Ein Schmuckstück ist etwas wunderschönes, eine Pracht. So ist einer, der mahnt, und einer, der sich etwas sagen lässt. Das passt gut zusammen. Beides ist aus Gold und beides ist gleich viel wert wie ein Helfer und ein Hilfsbedürftiger. Wichtig ist es, dass das Zusammenspiel zwischen Helfer und Hilfsbedürftigen funktioniert. Wie ist das möglich? Es ist nur dann möglich, wenn wir echte Anteilnahme am andern entwickeln und wenn wir im Gebet stehen, um herauszufinden, wann wir reden und wann wir gut zuhören sollen. Dieses Wechselspiel hatten die Freunde Hiobs nicht verstanden.

Hiob war ein weiser Mann. Als es ihm die Sprache verschlagen hatte, erlagen seine Freunde einem irrigen Gedanken. Sie meinten, er habe nun Belehrung nötig. So wurden sie zu törichten Mahnern. Sie hätten besser hören und fragen sollen: Was meinst du, Hiob, wenn du schweigst? Hilf uns, du Weiser, zu verstehen. Sie hätten nach dem Gold in seinem Leiden schürfen sollen. Stattdessen bohrten sie nach Schmutz und Sünde.

Der Depressive braucht Menschen, die sich nicht über ihn stellen.

Spr 25,13: „Wie kühlender Schnee an einem Sommertag ist ein zuverlässiger Bote für den, der ihn sendet: Er erquickt die Seele seines Herrn.“

Es ist wie an einem Hochsommertag bei der Ernte. Die harte Arbeit und die Hitze setzen zu und machen durstig. Da wünscht sich jeder Arbeiter sehnlichst etwas eiskühles. Christen sind vom Herrn gesandt, um treue Boten seiner Liebe zu sein. Erfüllt von der Liebe Christi, tragen sie das erfrischende Lebenswasser mit auferbauenden Worten weiter zu andern. So gefallen sie dem Herrn. Denn nur der Glaube an Jesus Christus vermag das Feuer der Verzweiflung zu kühlen und die Dürre ausgetrockneter Beziehungen zu bewässern.

Depressive sind Menschen, die fast vergehen vor Durst nach Leben. Nichts kann den Durst so stillen wie die Gute Nachricht von der unbegreiflich grossen Liebe Gottes.

Spr 25,14: „Wolken, Wind und doch kein Regen, so ist ein Mann, der mit einem Geschenk prahlt, ohne es zu geben.“

Hiobs Freunde hielten nicht, was sie versprachen. Sie waren gekommen, um den schwer Niedergeschlagenen aufzurichten. Aber er schien sich nicht trösten zu lassen. Sie begriffen die Schwere seines Leidens nicht und sagten mit anderen Worten: „Wenn du nur wolltest, dann könntest du doch!“ Und dann fingen sie an, ihm Vorwürfe zu machen. Da antwortete Hiob (6,15-17.21): „Meine Brüder sind trügerisch wie ein Bach, wie Wasserläufe, die versickern, die trübe sind vom Eis, in denen der Schnee sich verbirgt: In der Sommerglut sind sie verschwunden, wenn es heiss wird, sind sie an ihrer Stätte versiegt ... So seid ihr für mich geworden. Ihr schaut das Schreckliche und fürchtet euch.“ Den Freunden ist es zu heiss geworden. Sie haben zu viel versprochen. Statt ihre Hilflosigkeit einzugestehen, üben sie immer mehr pseudo-seelsorgerlichen Druck auf Hiob aus. Ihr Helferstolz lässt es nicht zu, weiter sprachlos bei ihm sitzen zu bleiben und zu bekennen:

„Diese Last ist uns zu schwer.“

„Das können wir nicht tragen.“

Gerade damit wäre Hiob getröstet worden. Er wäre nicht mehr ganz allein in seinen Leiden.

Der Depressive braucht Menschen, deren Bereitschaft hilflos mitzuleiden mindestens ebenso gross ist wie ihre Bereitschaft zu helfen, und die wissen, was sie sagen, wenn sie reden.

Spr 25,15: „Mit Geduld kann man einen Fürsten überreden, und eine sanfte Zunge kann Knochen zerbrechen.“

Die Haltung der Geduld führt zu besonnenen Worten. Ungeduld will mit Gewalt zum Ziel kommen und scheitert. Wer hingegen Zeit hat und sie auch dem anderen lässt, wer sich weder selbst unter Druck setzen lässt noch dies dem anderen antut, der wird bei anderen erstaunliche Veränderungen erleben. Wie kann eine sanfte Zunge Knochen zerbrechen? Indem sie ein klares Ziel vor Augen hat mit allem, was sie sagt. Sie bietet wirkliche Hilfe an und löst die Verknöcherungen einer Seele.

Der Depressive braucht Menschen, die sehr geduldig sind und dabei ein gutes Ziel vor Augen haben.

Spr 25,16-17: „Hast du Honig gefunden, iss nicht mehr, als du verträgst, sonst hast du ihn satt und musst ihn erbrechen. Betritt nur selten das Haus deines Nächsten, sonst hat er dich satt und verschmäht dich.“

Hier geht es um das rechte Mass. Der Honig kann für Beziehungen stehen, die uns schmecken. Doch mit Beziehungen können wir uns überessen wie mit Honig. Was geschieht dann? Wir müssen uns übergeben. Darum sollen wir nicht mehr essen, als wir vertragen. Genauso kann es im Dienst für den Nächsten sein. Wir helfen einer Person gern, weil sie uns sympathisch ist und blühen darin auf. Doch es ist wichtig, dabei unsere Grenzen zu kennen. Der Essgestörte findet kein Mass und muss das Gegessene danach wieder von sich geben. Das Essen dient ihm als Ersatz für die Erfüllung von Bedürfnissen, die er nicht stillen kann. Das soll nicht so sein mit dem, der andern gerne hilft. Er soll sich nicht selbst überfordern. Er soll es nicht übertreiben mit seiner Hilfe.

Masslose Zuwendung bewirkt das Gegenteil des Beabsichtigten. Plötzlich bekommt ihn der Hilfsbedürftige satt. Der Helfende gerät in eine Spirale, wie bei einer Sucht. Seine Zuwendung wird zum Fass ohne Boden und geht immer mehr daneben. Bis der Helfer selbst in der Depression versinkt. Darum raten die Sprüche davon ab, sich zu oft im Haus des Nächsten aufzuhalten.

Der Depressive braucht Menschen, die sich selbst nicht überfordern und Distanz halten können.

Spr 25,20: „Wie einer, der sein Kleid ablegt an einem kalten Tag, wie einer, der Essig auf eine Wunde giesst, so ist einer, der einem missmutigen Herzen Lieder singt.“

Wenn der Depressive entmutigt und verstimmt ist, dann ist es meistens unangebracht, ihn mit Liedern aufmuntern zu wollen (ausser bei Saul, 1Sam 16,14-23). Wir kennen diese Redensarten:

„Kopf hoch!“

„Lass dich nicht hängen!“

„Es wird schon wieder!“

Wir kennen diese falschen Ablenkungsversuche: „Denk doch mal was anderes!“ Wird die missmutige Person dazu in der Lage sein? Werden solche Worte seiner Situation gerecht? – Nein! Viel gut Gemeintes verschlimmert nur die Not. Es ist, wie wenn wir einem Frierenden die Jacke wegnehmen. Es gibt viele gutgemeinte Ratgeber, die bei einem Problem schnell warm bekommen. Sie stehen in der Sonne und statt, dass sie sich selbst die Jacke ausziehen, nehmen sie dem andern die Jacke weg. Sie verstehen nicht, dass es den andern fröstelt. Um ihn herum ist bitterkalte Nacht. Es ist, wie wenn wir über eine offene Wunde Essig giessen; das schmerzt noch mehr.

Der Depressive braucht Menschen, die ernstnehmen, was sie selber nicht verstehen können.

 

 Schlussfolgerungen

Ein chinesisches Sprichwort empfiehlt, sich wie ein Baum mit dem Sturm zu biegen. Erst, wenn wir unseren Zustand im Glauben zum Herrn annehmen und damit leben lernen, können wir eine Besserung erwarten. Wenn wir aber starr im Weg stehen und den Problemen des Lebens trotzen, dann wird alles noch mehr zur Qual.

Ein ganz wichtiger Faktor ist auch die Umgebung, in der sich eine depressive Person aufhält. Ist der Ehemann einfühlsam und verständnisvoll? Fühlt sich eine depressive Person in ihren dunklen Tagen von einer christlichen Gemeinde geliebt, getragen und angenommen? Angenommen zu sein, von Gott zuerst, aber auch von Menschen, ist das, wonach jeder Depressive die tiefste Sehnsucht trägt.