Gebet-22: Beten und Fasten

Herr, lehre uns beten!

 

 

 I.   Fasten in kirchlichen Kreisen und in der Welt

In kirchlichen Kreisen findet jedes Jahr eine vierzig tägige Fastenzeit statt, die bis zum jüdischen Passafest, das durch das christliche Osterfest ersetzt wurde, andauert. Früher unterzog man sich damit einer Reinigung und bereitete sich so auf das Osterfest vor. Heute halten sich die Wenigsten noch an die kirchlichen Fastentage. Trotzdem werden noch heute zum Auftakt der Fastenzeit in den Kirchen Reden abgehalten. Anschliessend wird den anwesenden Kirchgängern mit einem Kreuz Asche auf die Stirn geschmiert. Die Asche wird von Palmblättern gewonnen, die jeweils am vorherigen Palmsonntag verbrannt werden. Die Asche ist ein Symbol für den Erdenstaub, zu dem der Mensch einst wieder zurückkehrt. Dabei wird an den Gedanken erinnert, wo es heisst: Ps 90,3.12.

In der Welt ist das Fasten längst nicht mehr auf die religiöse Sprache beschränkt. Für die einen bedeutet Fasten eine Reaktion auf übermässiges Essen und Trinken, meistens mit dem Ziel, ein paar Kilos abzuspecken. Andere denken beim Fasten an die Fastnacht und Ramba-Zamba.

Wie so viele andere biblischen Überlieferungen, ist auch das Fasten von menschlichen Traditionen und falschen Vorstellungen über die Jahrhunderte verschüttet worden (Mt. 15,9). Es ist wie mit der Stadt Pompei, die im Jahre 79 n. Chr. von einem Vulkanausbruch völlig verschüttet wurde. In mühsamer Kleinarbeit versuchen heute viele Archäologen die Geheimnisse der Stadt einzeln auszugraben. Ganze Strassen und Häuser, Gärten, schöne Gemälde, Töpfergeschirr, ja sogar Menschen und Tiere wurden sorgfältig von der Lava freigelegt. Immer mehr kann man sich so ein Bild über die Stadt und die damaligen Verhältnisse schaffen. Genau gleich verhält es sich mit den vielen verschiedenen biblischen Begriffen, die es gilt frei zu graben, um das ursprüngliche Verständnis wieder herzustellen.

- Was versteht also die Bibel unter dem Wort Fasten?

- Sollen wir Christen fasten?

- Wie und wann sollen wir fasten?

 

 II.   Wie wurde ursprünglich im Alten Testament gefastet?

Gott ordnete für die Israeliten einen Fastentag an: Lev 16,29-31.
Es wurde also nicht vor dem Passa, sondern am Jom Kippur gefastet! Der grosse Versöhnungstag hiess Jom Kippur und war ein hoher Feiertag (am 10. Tag des siebten Monats), den Gott für die Juden anordnete: Lev 23,26-29. Das Fasten wird hier mit der Reue über die Sünden in Verbindung gebracht. Die Seele, die nicht gesühnt wurde, musste sterben. Es ist ein äusseres Zeichen der Trauer über die eigene Schuld. Fasten ist eine Demütigung vor Gott, das zum Ausdruck bringt: Ich bin ein Sünder. Du Gott aber bist vollkommen und heilig.

Man fastete im AT auch, um einen Toten: 1Sam 31,11-13; 2Sam 1,11-12.

David fastete um seinen neugeborenen Sohn: 2. Samuel 12,15-25.
Der König David hatte sich gegen den Herrn versündigt, indem er mit der verheirateten Batseba schlief. Nachdem sie schwanger wurde und ein Kind gebar, liess Gott einen Fluch über das Haus Davids kommen, indem der neugeborene Sohn todkrank wurde und schliesslich starb. David fastete aus zwei Gründen: Er bekannte dem Herrn seine Sünde mit Batseba. Er suchte Gott und bat ihn um Gnade damit er das Kind am Leben liess.

Esra rief vor der gefährlichen Rückkehr nach Jerusalem ein Fasten auf: Esr 8,21.23.31.
Hier bat der Teil der Israeliten, der nach Jerusalem zurückgeführt werden sollte, um Gottes Beistand (ca. 548 v. Chr.). Es war ihnen angst und bange, doch der Herr erhörte ihre Gebete und ihr Fasten. Interessant ist zu beobachten, dass nach dem Fasten und Beten eine Zeit kam, in der ihr Glaube in die Tat umgesetzt werden musste, indem sie aufbrachen und die Reise antraten im Vertrauen auf den Herrn, der sie sicher nach Hause führte.

Das Fasten im AT wurde auch dazu benutzt, um von Gott Offenbarungen zu erhalten, wie: z. B. Mose (Ex 34,27-28). Das griech. Substantiv für „Fasten“ (néstis) wird mit dem Begriff „essen“ gebildet und enthält einen Verneinungspartikel (ne). Es bedeutet wörtlich „nicht essend“ und auch „nüchtern sein“ (nestéuo). Wer fastete, verzichtete für eine begrenzte Zeit auf jegliche Nahrung. Später gab es auch ein teilweises Fasten, indem man auf bestimmte Speisen verzichtete (Moslemisches Fasten gilt nur am hellen Tag).

 

 III. Was bedeutete das Fasten zur Zeit Jesu

Leider wurde das Fasten mit der Zeit immer mehr zu einer frommen Übung, die man als besondere Leistung vor Gott hinstellte und sich so gerechter und besser vorkam als die übrigen Menschen. Schon 750 v. Chr. hat Jesaja gegen diese Tendenz gepredigt (Jes 58,3-7), doch leider bewirkte es wenig.

Im Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner gibt Jesus uns einen Einblick, wie die Gerechtigkeit der Fastenden aussah: Lukas 18,9-14. Zweimal in der Woche Fasten war vom Gesetz her gar nicht geboten. Doch ernsthafte Fromme taten das, um mit ihrer besonderen Leistung gerechter dazustehen vor den Menschen. Während der Zöllner über die Not durch seine Schuld vor Gott trauert und sich kaum vor Gottes Angesicht wagte. Damit will Jesus keineswegs die Sünder unterstützen in ihrer Boshaftigkeit. Vielmehr spricht er jene frei, die von Herzen Gott um Vergebung flehen und hingehen und ihren falschen Lebenswandel ändern! Das Fasten sollte in keinem Fall dazu dienen, dass man sich damit etwa selbst erhöhen konnte vor Gott und den Menschen.

In der Bergpredigt lehrt Jesus die richtige Gesinnung und Verhaltensweise beim Fasten: Matthäus 6,16-18. Fasten hat weder mit Gewichtskontrolle noch etwas mit der Öffentlichkeit zu tun. Beim Fasten geht es allein um eine persönliche Angelegenheit zwischen dem allmächtigen Gott dem einzelnen Menschen. Das Fasten dient allein dazu, sich besser auf den Herrn konzentrieren zu können und seine bedrückenden Anliegen durch das intensive Gebet vor IHN zu bringen. Dabei zog man Trauerkleider an (Jona 3,5), kämmte das Haar nicht mehr und streute Asche auf das Haupt und strich es ins Gesicht. Einige Juden malten ihre Gesichter weiss an, um die Blässe besser zu betonen. Sie gingen in unordentlichen und schmutzigen Kleidern auf die Strasse, um von den Leuten bewundert zu werden für ihre Disziplin und Frömmigkeit. Jesus verurteilt solches Fasten, was aber nicht bedeutet, dass jegliches Fasten verkehrt ist. Auch Jesus ging vor seinem öffentlichen Auftreten in die Wüste und fastete 40 Tage und 40 Nächte (Mt 4,1-2). Er gab aber seinen Aposteln keine konkreten Anweisungen oder Gebote in Bezug auf das Fasten.

Im Gegensatz zu den Jüngern des Johannes, lehnte Jesus das übliche traditionelle Fasten für seine Jünger ab, mit der Begründung: Markus 2,18-20. Die Jünger Jesu machten sich dem Gesetz Mose in keiner Weise schuldig, da es kein Gebot Gottes war an dem erwähnten Tag zu fasten. Jesus lehrte, dass es im neuen Bund keine festgelegten Fastentage mehr gibt.

 

 IV. Wie sieht das Fasten im neuen Bund aus?

In den Briefen des Neuen Testaments wird kein Wort über das Fasten gesprochen. Die Apostel Jesu lehren nirgends, wie und wann das Fasten im christlichen Leben praktiziert werden soll. Grundsätzlich gehört das Fasten zum Gesetz des Alten Testaments.

Trotzdem lesen wir von Beispielen im Neuen Bund, wie und wann gefastet wurde:

Die Urgemeinde in Antiochia, Syrien: Apg 13,1-4. Fasten, Beten und Anbetung Gottes gehören zusammen und ermöglichen das bessere Wirken des Heiligen Geistes. Paulus und Barnabas wurden durch den Heiligen Geist beauftragt und ausgesandt, um das Evangelium in der übrigen Welt zu verkündigen.

Die Einsetzung von Ältesten in den neugegründeten Gemeinden: Apg 14,21-23. Als Jesus seine 12 Apostel auswählte, fastete und betete er die ganze Nacht hindurch (Lk 6,12). Die Einsetzung von Führungskräften in der Gemeinde ist eine wichtige An-gelegenheit, die nur mit grosser Gottverbundenheit und Hingabe ausgeführt werden sollte.

Obschon das Fasten im neuen Bund für uns Christen nirgends geboten wird, so ist es auch nicht verboten. Jeder Gläubige darf nach seinen Bedürfnissen beten und fasten: Fasten ist gesund für die Seele! Es fördert die Selbstdisziplin und stärkt den Willen. Es ist längst bekannt, dass masslose Verwöhnung (also das Gegenteil von Fasten) uns willensschwach und unzufrieden macht. Oft führt ein üppiges Leben zu verschiedenen Krankheiten. Fasten stärkt unseren Glauben an Gott und hilft uns das Ziel des ewigen Lebens nicht aus den Augen zu verlieren, sondern geistlicher zu denken. Es lenkt unsere Blicke auf das Wesentliche im Leben und lässt verschiedene Probleme viel kleiner werden. Es ist in körperlicher und geistlicher Hinsicht ein gutes „Konditionstraining“!

Wenn Probleme auftauchen und grosse Prüfungen anstehen, dann fasten die meisten Menschen von selbst, leider oft ohne die Kombination des Gebets. Z. B. Wenn ein enges Familienmitglied heimgeholt wird (Ehepartner, Kind). Z. B. Bei einem schweren Unfall oder einer anderen Lebensprüfung. Paulus redet von seinen Kämpfen und Bewährungen: 2Kor 6,5 (11,27).

 

 V.  Wie sollen wir Christen in der heutigen Zeit fasten?

Wichtig ist, dass das Fasten im neuen Bund im übertragenen Sinn verstanden wird! Geistliches Fasten bedeutet nüchtern sein und wachen: 1Thess 5,4-6. Fasten bedeutet „nicht essen“ und „nüchtern sein.“ Im geistlichen Sinn übertragen bedeutet das, dass wir auf alles verzichten, was uns zur Sünde verführen kann. Deshalb wollen wir wachsam sein, denn der Teufel versucht uns, dann überfällt er uns und schliesslich verschlingt er uns: 1. Petrus 5,8.

Geistliches Fasten bedeutet, sich von der Welt abzusondern: 2Kor 6,14 - 7,1. Weil Christen mit Ungläubigen nichts gemeinsames haben, nehmen sie an ihren ausschweifenden Festen kein Anteil. Biblische Christen ziehen es vor, mit andern Gläubigen zusammen zu sein, statt mit Ungläubigen! Trotzdem dürfen die Bemühungen, Menschen zum Glauben an Christus zu gewinnen, nicht eingestellt werden. Geistliches Fasten bedeutet, dass wir uns eifrig bemühen und von jeder Sünde trennen, die unseren Körper oder unseren Geist verunreinigen.

Geistliches Fasten bedeutet sich von allen fleischlichen Begierden zu enthalten: 1. Petrus 2,11-12. Der Lebenswandel der Heiden ist gottlos. Wir aber wollen einen gesunden Lebenswandel führen, indem wir als gute Vorbilder vorangehen und das tun, wofür uns Gott geschaffen hat. Wenn wir uns vom Leben der Ungläubigen abheben, dann kann es sein, dass wir von ihnen verleumdet werden. Doch wenn die Wahrheit ans Licht kommt, werden selbst sie Gott ehren, nachdem sie sich bekehren liessen. Auf Erden sind wir nur Pilger, d. h. Fremde auf der Durchreise, deshalb wollen wir uns allem weltlichen Treiben enthalten!

Geistliches Fasten bedeutet, im Gebet verharren: Kolosser 4,2. Durch das Gebet werden unsere Blicke himmelwärts gerichtet und wir beurteilen alle Lebenssituationen mit den Augen Gottes und nicht mit menschlichem Wunschdenken. Durch die Danksagung pflegen wir die Genügsamkeit und Bescheidenheit. Im Lukas lesen wir von der Prophetin Hanna, die ein wunderbares Vorbild für alle Gläubigen ist: Lukas 2,36-37. Das ist der Lebenswandel, der Gott gefällt! Darin liegt Gottes Segen!

Fasten in der heutigen Zeit steht in engem Zusammenhang mit unserer christlichen Lebensführung!

 

 VI. Zusammenfassung

Es ist nicht falsch, wenn Christen in der heutigen Zeit fasten! Das Fasten stärkt unseren Glauben und fördert unser geistliches Leben in Christus. Es gibt jedoch im neuen Bund keine bestimmten Fasttage mehr, wie sie Gott im AT den Juden geboten hatte. Wichtig ist, dass wir verstehen, dass unser ganzes Leben in Christus ein einziges Fasten und Beten ist. Wir bezeugen damit, dass wir auf alle weltlichen Dinge, die uns zur Sünde verführen, freiwillig verzichten und durch das Gebet in ständiger Verbindung mit dem allmächtigen Gott stehen.