Gottesdienst – Anbetung
Einleitung
Als die Sterndeuter aus dem Osten das neugeborene Jesuskind suchten, fanden sie ihn endlich in Bethlehem in einer Futterkrippe, in Windeln gewickelt. Sie hatten eine ziemlich lange Reise auf sich genommen, um den neugeborenen König der Juden anzubeten. Als sie in die Scheune kamen, sahen sie die Mutter mit ihrem Kind und „sie fielen vor ihm nieder und huldigten ihm, öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar ...“ (Mt 2,10). Das Wort „huldigen“ ist das griechische Wort prosküneo (προσκυνέω). Dieses Wort steht im NT für anbeten (Mt 4,10; Lk 24,52; Joh 4,20-21). Küneo (κυνέω) bedeutet küssen. Anbetung bedeutete damals sich niederwerfen vor jemandem, fussfällig verehren, die Füsse einer Person küssen, den Saum des Kleids oder den Boden, vor der Person niederknien und sie verehren, huldigen, begrüssen. Die Sterndeuter zeigten ihre Verehrung für Jesus dadurch, dass sie vor ihm niederfielen und ihm huldigten, ihm Geschenke mitbrachten. Das Niederwerfen drückte in ihrer Anbetung ihre Hochachtung und Demut aus.
Ein weiteres Wort, das im NT für Anbetung steht ist Dienst, Latreia (λατρεία), dienen, latreuo (λατρεύω). Dieser Begriff wird im NT auch für heidnische Anbetung verwendet (Apg 7,42; Röm 1,25). Jesus gebrauchte beide erwähnten Begriffe, als er versucht wurde vom Teufel (Mt 4,9-10): „Und er [Satan] sagt zu ihm: Dies alles werde ich dir geben, wenn du dich niederwirfst und mich anbetest. Da sagt Jesus zu ihm: Fort mit dir Satan. Denn es steht geschrieben: Zum Herrn, deinem Gott, sollst du beten und ihm allein dienen.“ Prosküneo steht für Anbeten und Beten. Latreus steht für Dienen. Mit andern Worten erklärte Jesus, dass die Anbetung allein Gott gebührt.
I. Sich Niederwerfen im AT
Als Mose und Aaron verkündeten, dass Gott das Schreien der Israeliten erhört hatte und sie aus der Knechtschaft der Ägypter befreien werde, reagierten sie folgendermassen (Ex 4,31b): „Und das Volk glaubte. Und sie hörten, dass der Herr sich der Israeliten angenommen und ihr Elend gesehen hatte, und sie verneigten sich und warfen sich nieder.“ Das heisst, sie verneigten sich und beteten an. Später, als Mose dem Volk das Passa erklärte heisst es (Ex 12,27b): „Da verneigte sich das Volk und warf sich nieder.“
Nachdem Mose die Steintafeln zerbrach, worauf die zehn Gebote standen, ging er zurück auf den Berg, um dem Herrn erneut zu begegnen. Da kam der Herr in einer Wolke herunter, ging an Mose vorbei und rief (Ex 34,5-8): „Der Herr, der Herr, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und von grosser Gnade und Treue ...“ Und Mose neigte sich zur Erde „und warf sich nieder“.
Wir lesen auch vom König Hiskia, der den Tempel restaurierte und seine Tore wieder öffnete (2Chr 29). Danach versammelte er das Volk vor dem Tempel zur Anbetung. Auf dem Brandopferaltar wurde das Opfertier für den Herrn dargebracht. Und es heisst (2Chr 29,28-29): „Und die ganze Versammlung warf sich nieder, und der Gesang ertönte und die Trompeten schallten. Dies alles dauerte, bis das Brandopfer zu Ende war. Und als das Brandopfer zu Ende war, beugten der König und alle, die sich bei ihm eingefunden hatten, die Knie und warfen sich nieder.“ Das heisst, sie beugten ihre Knie und beteten Gott an. Mit ihrer Körperhaltung drückten sie ihre Unterwerfung, ihre Hochachtung und ihre Verehrung für den Herrn aus.
Als die Moabiter, die Ammoniter und die Maoniten gegen die Israeliten in den Krieg zogen, da suchte der König Joschafat den Herrn und rief ein Fasten auf über ganz Juda (2Chr 20). Dann befragte er vor versammelter Gemeinde im neuen Tempelvorhof den Herrn im Gebet. Da kam der Geist des Herrn über einen der Leviten und ermutigte das Volk in den Krieg zu ziehen, denn Gott wird Juda zum Sieg führen. Als der König diese Worte hörte, „verneigte sich Jehoschafat mit dem Angesicht zur Erde, und ganz Juda und die Bewohner Jerusalems fielen nieder vor dem Herrn, um sich vor dem Herrn zu verneigen“ (2Chr 20,18). Mit andern Worten; sie beteten Gott an. Anschliessend priesen die Leviten den Gott Israels mit lauter Stimme.
II. Niederwerfen bedeutet Anbetung
Es ist interessant in der Bibel zu sehen, dass Anbetung mit einer ganz bestimmten Körperhaltung zu tun hat. Diese Haltung wird durch das sich Niederwerfen ausgedrückt oder verstärkt. Aber, nicht das Niederwerfen bedeutet Anbetung, sondern Anbetung heisst sich niederzuwerfen.
Als Jesus zur Samariterin am Brunnen sprach, erklärte er ihr was wahre Anbetung ist (Joh 4,23): „Aber die Stunde kommt, und sie ist jetzt da, in der die wahren Anbeter in Geist und Wahrheit zum Vater beten werden, denn der Vater sucht solche, die auf diese Weise ihn anbeten“ (eigene Betonung: nicht beten, sondern prosküneo = anbeten). Es geht im neuen Bund nicht mehr um einen heiligen Ort wie Jerusalem oder Samaria usw. wo angebetet wird. Es geht nicht mehr um ein Gebäude wie der Tempel in Jerusalem oder eine Kirche, wo Menschen sich niederwerfen vor dem Herrn. Es geht um die innere Haltung des Gläubigen. Deshalb kann eine Anbetung auch überall und zu jeder Zeit stattfinden. Wann immer wir uns persönlich die Zeit nehmen, um uns vor dem Herrn geistig niederzuwerfen, dann beten wir an. Niemals wird jedoch eine persönliche Andacht die Anbetung in versammelter Gemeinde, am ersten Tag der Woche, ersetzen.
Wenn wir zum Herrn kommen, um ihn anzubeten, dann tun wir das mit grösster Hochachtung, Respekt, Ehrerbietung und Unterwerfung. In aller Demut werfen wir uns im Geist vor dem Herrn nieder und beten ihn an nach seinem Willen, d. h. in Geist und Wahrheit. Im Geist bedeutet innerlich in unseren Herzen und nicht äusserlich durch Niederknien oder Niederwerfen. In der Wahrheit bedeutet wahrhaftig, dauerhaft mit dem Willen Gottes verbunden zu sein. Anbetung geschieht nicht nach menschlichem Willen. Anbetung geschieht so, wie Gott angebetet werden will. Anbetung geschieht bewusst und echt im Kontrast zu einem Vorwand oder zu einer Vortäuschung. Anbetung geschieht nicht bloss durch auswendig gelernte oder nachgesprochene Worte, sondern mit unserem Herzen, was es gegenüber Gott denkt und empfindet.
Bedeutet das, dass Anbetung immer ernst und düster sein muss? Nein! Biblische Anbetung kann auch Freude und Jubel bedeuten. Psalm 95,1: „Kommt, lasst uns dem Herrn jubeln und jauchzen dem Fels unserer Hilfe. Lasst und mit Lobpreis vor sein Angesicht treten, mit Gesängen ihm jauchzen.“ Als die Israeliten wieder in ihr Land zurück durften und ihnen das Gesetz zum ersten Mal wieder vorgelesen wurde weinten sie. Da sprachen Esra, Nehemia und die Leviten zu ihnen (Neh 8,9-10): „Dieser Tag ist dem Herrn, eurem Gott, heilig! Trauert nicht und weint nicht ... Geht, esst Fettes, und trinkt Süsses, und gebt davon denen ab, für die nicht zubereitet wird ... Und seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn, sie ist eure Zuflucht!“ Es war eine Zeit zum Feiern und Jubeln im Herrn. Die Zeit des Niederwerfens kam später, sieben Tage nach dem Fest. Am achten Tag gab es eine ernste Versammlung (Neh 8,18), in welcher sie Trauergewände anzogen, fasteten und sich Erde auf den Kopf streuten (Neh 9,1). Dann bekannten sie ihre Sünden und ihre Verschuldungen vor dem Herrn. Schliesslich wurde aus den Weisungen des Herrn vorgelesen und immer wieder „warfen sie sich nieder vor dem Herrn, ihrem Gott“ (Neh 9,3).
Als die Priester die Bundeslade wieder ins Lager der Israeliten zurückbrachten war ganz Jerusalem begeistert. David bereitete provisorisch ein Heiligtum vor, in dem die Lade hingestellt werden sollten. Auf dem Weg zum Heiligtum tanzte David voller Hingabe vor dem Herrn und trug einen leinenen Efod. Seine Frau Michal aber verachtete ihren Mann, nicht etwa wegen seines Tanzes, sondern wegen seines Kleids! Im 2. Samuel 6,20 wird uns das gesagt: „Michal, die Tochter Sauls, kam heraus, David entgegen, und sagte: Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, da er sich heute vor den Augen der Mägde seiner Diener entblösst hat, wie sich wirklich nur einer vom Gesindel entblösst!“ Offensichtlich betrachtete Michal das leinene Priesterunterkleid (Ex 39,2-7), das David trug, wie ein Nachthemd und somit unter der Würde eines Königs. Viel lieber hätte sie es gesehen, wenn er seine Krone aufsetzte, sein königliches Gewand anzog und pompös vor der Lade herging. Als Tochter Sauls widerspiegelte sie die hochmütige Haltung, die ihr Vater an den Tag legte. David hingegen demütigte sich vor dem Herrn und dem Volk selbst beim Feiern. Er kleidete sich absichtlich wie die Priester, die die Lade trugen. Denn endlich war mit der Bundeslade Gottes Gegenwart wieder in ihre Mitte zurückgekehrt. David war so dankbar und gleichzeitig fühlte er sich unwürdig in der Gegenwart des allmächtigen Gottes. David bewies, dass Feiern ohne Unterwerfung unter die gewaltige Hand Gottes, ein Feiern ohne Anbetung war. Eine Feier ohne Unterwerfung kann sogar arrogant sein!
Welche Anbetungshaltung wird der Herr niemals zurückweisen? Welches Opfer gefällt Gott am besten?
Psalm 51,19: „Das Oper, das Gott gefällt, ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wird du, Gott, nicht verachten.“
Das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner illustriert das besonders treffend. Jesus weist jeglichen Stolz und Selbstgerechtigkeit zurück. Deshalb heisst es (Jak 4,6): „Gott widersetzt sich den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er Gnade. Ordnet euch also Gott unter und widersteht dem Teufel, so wird er vor euch fliehen! Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen! Reinigt eure Hände, ihr Sünder, und läutert eure Herzen, ihr Zweifler! Wehklagt nur und trauert und weint! Euer Lachen verwandle sich in Klage und eure Freude in Kummer! Erniedrigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen.“ Wenn wir zur Anbetung Gottes erscheinen, dann geht es darum, dass wir uns innerlich niederwerfen vor dem Herrn, dass wir ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz haben in dem Sinn, dass wir unsere Schwachheit, unsere Abhängigkeit gegenüber dem Herrn zugeben. Der Herr will Christen sehen, die sich demütig niederwerfen vor dem lebendigen Gott, die den Herrn verehren und verherrlichen mit Ehrfurcht und Freude.
Wir brauchen uns nicht äusserlich niederzuwerfen, wenn wir in Gottes Gegenwart treten, um anzubeten, aber innerlich mit unserer Haltung. Was tut ein Mensch, wenn er plötzlich vor Jesu Angesicht erscheint? Der Apostel Johannes schildert uns seine natürliche Reaktion (Offb 1,17): „Und als ich ihn sah, fiel ich wie tot zu seinen Füssen, und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige ...“ Johannes fiel von selbst vor Jesus nieder, als er ihn sah. Das ist eine natürliche Reaktion. Solz und Hochmut haben in der Anbetung Gottes keinen Platz! Auch Selbstverherrlichung in irgendeiner Form weist der Herr zurück. Wer in die Gegenwart Gottes tritt, der demütigt sich und unterwirft sich dem Herrn mit seiner ganzen Haltung, der gibt zu, dass er Gottes Gnade dringend benötigt. Wenn wir Gott anbeten, dann vergleichen wir uns nicht untereinander, wer der bessere oder grössere sei, sondern wir vergleichen uns allein mit Gott! Das war der Fehler, den der Pharisäer machte. Er verglich sich mit einem noch grösseren Sünder, statt mit dem vollkommenen Gott.
Schlussfolgerungen
Wir sehen aus dem Gesagten, dass Anbetung sehr viel mit prosküneo= sich niederwerfen zu tun hat. Dabei geht es im neuen Bund nicht mehr um einen äusserlichen Akt, dass wir auf die Knie gehen oder auf den Boden fallen, sondern um unsere innere Herzenshaltung. Es geht darum, dass wir uns vor dem lebendigen Gott innerlich niederwerfen und demütigen. In der Anbetung Gottes geht es niemals darum, dass unsere persönlichen Wünsche erfüllt werden oder unser Ego gestärkt wird, sondern allein darum, dass Gott geehrt und verherrlicht wird.
Selbst die Engel im Himmel bedecken ihr Angesicht vor dem Höchsten (Jes 6,2). Das ganze himmlische Heer wirft sich nieder vor dem Thron Gottes (Neh 9,6; Offb 4,10; 7,11). Wie könnten wir sterbliche Menschen uns Gott nähern, ohne diese innere Haltung?! Lasst uns unseren Herrn anbeten und feiern, aber mit demütigen Herzen: Phil 2,9-11.