Fleisch oder Geist
William Barclay
Die Luther-, Elberfelder-, und die Zürcherübersetzung gebrauchen in den folgenden Stellen den Begriff Unreinheit (Röm 1,24; Gal 5,19; Eph 5,3; Kol 3,5). Akatharsia wurde zunächst im materiellen, später im rituellen und zeremoniellen und schliesslich im moralischen Bereich gebraucht.
1. Am Anfang bedeutete akatharsia einfach Schmutz. In den Papyri finden wir zum Beispiel Verträge über den An- und Verkauf von Häusern, in denen sich der ausziehende Besitzer verpflichtet, das Haus von jeglichem Schmutz - akatharsia zu säubern. In enger Verbindung damit steht der medizinische Gebrauch des Wortes. Hier bezeichnet es die Unreinheiten, die an Wunden entstehen (Hippokrates, Fragmente 31). Platon gebraucht es für die unreinen Stoffe, die sich im Körper ansammeln und von der Milz absorbiert werden sollen (Timaeus 72c).
2. Im griechischen AT steht akatharsia meistens in Zusammenhang mit rituellen und zeremoniellen Handlungen. Im dritten Buch Mose wird es etwa zwanzigmal auf diese Weise gebraucht, zum Beispiel in 3. Mose 20,25 für die Unreinheit von Tieren und in 3. Mose 18,19 für den Zustand der Frau während der Menstruation. Wir sehen hier etwas sehr wichtiges. Akatharsia bezeichnet die Unreinheit und damit Unwürdigkeit für die zeremoniellen Handlungen, aber die Bedeutung liegt darin, dass ein Mensch in diesem unreinen Zustand nicht vor Gott hintreten konnte. Er konnte nicht in den Tempel gehen und an dem Gottesdienst des Volkes teilnehmen. Wenn jemand das trotzdem versuchte, zog er damit den Zorn Gottes auf sich (3. Mos. 22,3). Akatharsia trennt den Menschen von Gott.
3. Schliesslich bekommt akatharsia noch eine moralische Bedeutung. Es wird für die Lüsternheit einer losen und unmoralischen Frau gebraucht (Hos 2,11-13), ferner für die moralische Unreinheit, die eine Nation zerstört (Mi 2,10). Für diese Anwendungsweise gibt es ein gutes Beispiel in den Sprüchen, wo über den nichtswürdigen Mann gesagt wird: Er erfreut sich all der Dinge, die Gott hasst, und wegen der Unreinheit seiner Seele wird sein Verderben schnell über ihn kommen (Spr 6,14-15).
Akatharsia ist bei den klassischen Schriftstellern nicht allgemein gebräuchlich, aber Demosthenes benutzt es für die unerträgliche Gemeinheit eines Mannes, der sich offenbar geschworen hat, einen Freund zu verletzen, der aber heuchlerisch vorgibt, noch immer sein Freund zu sein (Demosthenes, Wider Midas 119). Hier wird akatharsia für eine moralische Verderbtheit gebraucht, welche die betrachtende Person anwidert.
So können wir in dem Wort akatharsia drei Bedeutungen erkennen.
1. Es ist die Eigenschaft des Besudelten und Schmutzigen. Es kennzeichnet eine Gesinnung, die an sich schmutzig ist und die alles andere beschmutzt. Sie kann die beste Tat auf einen gemeinen Beweggrund zurückführen und kann aus den reinsten Dingen einen schmutzigen Witz machen.
2. Diese Unreinheit ist abstossend. Sie erweckt Abscheu und Widerwillen in jedem anständigen Menschen, der sie wahrnimmt. Es gibt Menschen, die sich für klug halten, die aber bei denen, die ihnen zuhören und die mit ihnen zu tun haben, nur Ekel hervorrufen.
3. Ausserdem enthält das Wort die Vorstellung dessen, was von Gott trennt. Ehe akatharsia im moralischen Bereich gebraucht wurde, bezeichnete es, wie gesagt, die rituelle und zeremonielle Unreinheit, die nach den jeweiligen Verboten einen Menschen von der Gegenwart Gottes ausschloss. Im moralischen Bereich liegt der gleiche Gedanke dem Wort zugrunde. „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). Der Sünder, der Busse tut, wird Gott stets finden, aber der Sünder, der sich seiner Unreinheit freut, hat zwischen sich und Gott eine Mauer errichtet.