Dreizehn biblische Schlüsseltexte
Einleitung
Eine Schlüsselstelle der Bibel finden wir in Exodus 20: Die zehn Gebote. Zwei Monate, nachdem Mose das Volk Israel aus Ägypten herausführte, kamen sie am Berg Sinai an. Am Sinai verbrachten sie ein ganzes Jahr und lernten den lebendigen Gott kennen. Gott offenbarte sich dem Volk in ganz besonderer Weise: durch seine machtvolle Hand mit Wundern und Zeichen, durch die zehn Gebote und die zusätzlichen Anweisungen. Die zehn Gebote widerspiegeln Gottes Wesen und Charakter.
I. Generelle Betrachtung der zehn Gebote
Als die Israeliten an den Berg Sinai kamen, offenbarte sich Gott dem Volk und machte einen Bund mit ihnen, indem er zu Mose sprach (Ex 19,5-6): „Wenn ihr nun auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr von allen Völkern mein Eigentum sein, denn mein ist die ganze Erde, ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern sein und ein heiliges Volk.“ Die Bedingung für den Bund mit Gott war, dass sie sich an Gottes Gebote hielten. Um diese Gebote zu empfangen, musste sich das Volk, samt den Priestern, drei Tage lang heiligen für den Herrn (Ex 19,10.22). Sie mussten ihre Kleider waschen und durften sich ihren Frauen nicht nahen. Dann musste sich das gesamte Volk am Fuss des Berges aufstellen (Ex 19,17).
Mose zog eine Grenze um das Volk und um den Berg und befahl ihnen, nicht über diese Grenze hinauszugehen, noch den Berg zu berühren. Wer den Berg berührte, der musste getötet werden (Ex 19,12). Denn der allmächtige und heilige Gott stieg auf den Berg Sinai herab unter grossem Donnern, Blitzen und Hörnerschall (Ex 19,16). Der Berg Sinai war ganz in Rauch gehüllt und erbebte, als der Herr im Feuer auf herunterkam und das Volk zitterte vor Angst und Ehrfurcht. Mose stieg auf den Berg in die dunkle Wolke hinein, um die zehn Gebote (hebräisch wörtlich, „die zehn Worte“) zu empfangen.
Die zehn Worte des Herrn drücken Gottes Heiligkeit und Gnade aus. Die ersten vier Gebote bestätigen Gottes Heiligkeit (Ex 20,1-11). Heilig sein bedeutet abgesondert und einzigartig zu sein. Israel musste verstehen lernen, dass der Herr nicht bloss ein anderer Gott unter vielen Göttern war, sondern der einzig wahre und lebende Gott ist, dem Anbetung und Ehre gebührt. Weil Gott, der Schöpfer am siebten Tag ruhte, musste auch das Volk den Sabbat heiligen. Denn das Volk musste heilig sein, wie Gott heilig ist (Lev 11,44-45).
Die zehn Gebote bestätigen aber auch Gottes Gnade. Denn Gott selbst macht den Israeliten klar, dass er sie auf Adlerflügel getragen und aus Ägypten herausgeführt hat (Ex 19,4). Bei den zehn Geboten geht es nicht bloss um eine Liste von Regeln. Gottes Moral und Ethik sind nicht bloss willkürliche Regulationen. Sie drücken vielmehr Gottes Wesen und Charakter aus. Wer sich Gott nahen will, der muss seinem Charakter ähnlich werden.
Während sich die ersten vier Gebote auf die Beziehung zwischen Mensch und Gott konzentrieren, regeln die andern sechs Gebote die Beziehung zwischen uns Menschen. Das heisst, dass die zehn Gebote vertikal und horizontal angeordnet sind. Die ersten vier sind vertikal und die übrigen sechs sind horizontal angeordnet. Was ist das Besondere an dieser Feststellung? Es zeigt, dass wir nicht im richtigen Verhältnis zu Gott stehen können während wir gleichzeitig unsere Mitmenschen schlecht behandeln. Jesus lehrte, dass die Liebe für Gott und für unseren Nächsten Hand in Hand gehen (Mt 22,35-40). Johannes bestätigt mit andern Worten (1 Joh 4,20): „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und er hasst seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder, den er vor Augen hat, nicht liebt, kann nicht Gott lieben, den er nicht vor Augen hat.“ Die vertikale und horizontale Richtung der zehn Gebote lehren uns, dass gute Beziehungen zu andern Menschen aus einem tiefen Glauben und einer engen Beziehung zu Gott heraus fliessen. Viele können ihre Beziehungen zu andern Menschen nicht aufrechthalten, weil ihnen die Beziehung zum lebendigen Gott fehlt. Nur wer mit Gott in Frieden lebt, kann auch mit seiner Umwelt in Frieden leben (Jak 4,1-4).
Die zehn Gebote bieten aber auch Schutz. Sie wollen uns vor der Selbstzerstörung bewahren. Gottes Gebote können nicht so sehr gebrochen werden, vielmehr brechen sie uns! Wer sich nicht an Gottes Gebote hält, der verletzt sich selbst. Es ist wie mit dem Gesetz der Anziehungskraft, die Gott geschaffen hat: Wir können dieses Gesetz verleugnen, auch wenn die Wissenschaft und unsere Erfahrungen uns lehren, dass alles, was nicht gehalten oder gestützt wird, zu Boden fällt. Wer dieses Gesetz nicht befolgt, wird sich verletzen und vieles zerstören.
Gottes Gesetze sind keine Optionen, sondern sie sagen, wie das Leben funktioniert und wie wir damit umzugehen haben. Deshalb sind die zehn Gebote nicht bloss eine Liste von Regeln. Sie klären den Menschen auf und bewahren ihn vor der Verwilderung und der Selbstzerstörung. Durch die zehn Gebote, die weiteren Vorschriften und Ausführungen, die in den folgenden Kapiteln der Mose Bücher beschrieben werden, gab der Herr seinem Volk ihre Identität, so dass ein eigener rechtsgültiger Staat entstand.
II. Erklärungen der zehn Gebote
Das erste Gebot lautet: „Du sollst keine andern Götter neben mir haben“ (Ex 20,1-3).
Das Land Ägypten, von welchem die Israeliten auszogen, war voll von Göttern und von Götzendienst. Gott, der Herr aber wollte, dass sie nur ihn allein anbeten und keine andern Götter neben ihm hatten. Damit war Israel das einzige Volk damals, dass an einen einzigen Gott glaubte (Monotheismus). Auch im Neuen Bund will Gott als den alleinigen Schöpfergott angebetet werden (1Kor 8,5-6). Denn es gibt nur einen Gott und Vater (Eph 4,6) und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen; Jesus Christus (1Tim 2,5).
Das zweite Gebot: „Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild“ (Ex 20,4-6).
Die Ägypter hatten viele Götzenbilder und Statuen. Mit dem Gottesbild ist es wie mit dem Namen. Welches von Menschen gemachte Bild würde den allmächtigen Schöpfergott am besten darstellen? Kein Bild und keine Statue könnten den lebendigen Gott ausreichend repräsentieren. Es wäre eine Diskriminierung und nichts anderes als ein Versuch, den Schöpfer mit eigenen Fantasien zu schaffen. Auch im Neuen Bund sollen wir uns keine „heiligen Bilder“, Statuen usw. machen! Johannes warnt (1Joh 5,21): „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Wir lieben den Herrn, ohne ihn mit unseren menschlichen Augen gesehen zu haben und glauben an ihn, ohne ihn jetzt zu sehen (1Petr 1,8).
„Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen“ (Ex 20,7).
Ein weiteres Gebot, dass mit unserer Beziehung zu Gott zu tun hat. Dieses Gebot wurde von den Israeliten so ernst genommen, dass sie z. B. das Wort Jahwe nicht einmal in den Mund nahmen. Der Name Gottes war ihnen zu heilig. Die ursprüngliche Idee dieses Gebots war es aber, Gottes Namen nicht für einen Schwur zu missbrauchen (Lev 24,14). Denn wer sind wir Menschen schon, dass wir bei Gott schwören können? Wir wissen ja nicht einmal, ob wir in der kommenden Stunde noch leben! Somit gibt es keine Sicherheit, dass wir versprochene Eide und Schwüre je einhalten könnten. Wer den Herrn liebt, der wird seinen Namen auch im Neuen Bund nicht missbrauchen lästern oder fluchen (1Petr 3,15; 4,11).
Viertens: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heilig haltest“ (Ex 20,8-11).
In Exodus 31,12-17 lesen wir, dass das Sabbatgebot nur dem Volk Israel gegeben wurde. Der Sabbat war der Ruhetag Gottes und musste auch vom Volk als Ruhetag eingehalten werden. Der siebte Tag war dem Herrn geweiht und nicht der Arbeit. Er erinnerte das Volk an ihren Schöpfergott, dem an diesem Tag besondere Ehre und Anbetung gebührte. Der Sabbat musste strengstens eingehalten werden (Ex 16,26; 35,3). Eine Verletzung dieses Gebots hatte die Todesstrafe zur Folge (Num 15,32-36). Die zehn Gebote finden wir im Neuen Testament als Steigerung wieder. Die Forderungen, die Gott seinem Volk im alten Bund stellte werden im Neuen Bund durch das Gesetz Christi erfüllt. Nur das Sabbatgebot finden wir im Neuen Testament nirgends. Vielmehr geht aus den Schriften hervor, dass die ersten Christen sich am Sonntag am Tag der Auferstehung Christi versammelten, um Gott anzubeten. So wurde der Sonntag zum „Tag des Herrn“ (Apg 20,7; 1 Kor 16,1-2; Offb 1,10). Er war aber kein Ersatz zum jüdischen Sabbat. Die Idee vom christlichen Sabbat kam erst viel später durch Konstantin (321 n. Chr.). Die alttestamentliche Sabbatruhe ist ein Schatten zur himmlischen Ruhe (Hebr 4,1-11; 10,1). Wir Christen glauben an die ewige Ruhe, die die Erfüllung der Sabbatruhe ist (Offb 14,13).
Fünftens: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ (Ex 20,12).
Das fünfte Gebot war der Schlüssel zur sozialen Gesellschaft. Die Altersvorsorge von damals lag in den Kindern. Wer Vater oder Mutter fluchte, musste sterben (Ex 21,17). Wer aber Vater oder Mutter ehrte, dem verhiess Gott ein langes Leben. Nicht nur die zehn Gebote lehren uns die Eltern zu ehren und ihnen gehorsam zu sein, sondern auch der Heilige Geist des Neuen Testaments (Epheser 6,1-3).
Sechstens: „Du sollst nicht töten“ (Ex 20,13).
Auch dieses Gebot wurde den Israeliten gegeben, weil sie in dem gottlosen Land Ägyptens nichts Besseres gelernt hatten. Mord war an der Tagesordnung, wie das Beispiel von Mose, der einen Ägypter totschlug, bestätigt (Ex 2,12). Gott wollte nicht, dass sein Volk dieses grausame Verhalten weiterhin an den Tag legte und Menschenblut vergoss (Gen 9,6; Ex 21,12). Wir wissen aber, dass Gott sehr wohl seinem Volk befahl: Die Todesstrafe für Gesetzesbrecher auszuüben (Lev 20,10.13). In den Krieg zu ziehen und die gottlosen Völker zu töten (1 Sam 15,3). Im Neuen Bund ist das geistige Volk Israel nicht befugt, Ungläubige im Namen Gottes zu töten, noch für einen weltlichen Staat in den Krieg zu ziehen. Denn es heisst: „Gott gehört die Rache“ (Röm 12,17-21). Christus verlangt von den Gläubigen im NT viel mehr als das Gesetz Mose (Gal 5,13-18). Denn, ist das schon ein guter Christ der niemanden ermordet? Der Geist Gottes lehrt uns vielmehr das Böse nicht nur zu unterlassen, sondern das Gute zu tun. Der Apostel Johannes erklärt, dass wer seinen Bruder hasst, in Gottes Augen bereits ein Mörder ist (1 Joh 3,14-16). Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu (Röm 13,10). Die Agape-Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Wir sind zur Liebe berufen sogar gegenüber unseren Feinden (Mt 4,43-48).
Siebtens: „Du sollst nicht ehebrechen“ (Ex 20,14).
Untreue in der ehelichen Gemeinschaft war auch damals ein grosser Treuebruch. Im Alten Testament gab es für eine(n) Ehebrecher(in) keine Vergebung. Auf Ehebruch lag die Todesstrafe (Lev 20,10). Im Neuen Testament geht Jesus viel weiter als das Gesetz (Mt 5,27-30). Wir werden nicht nur aufgerufen kein Ehebruch zu begehen, sondern wir sollen uns von jeder Art der Unkeuschheit fernhalten, sei es in Worten oder nur in Gedanken. Das Evangelium Christi lehrt uns Männer unseren Ehepartner so zu lieben, wie Christus die Gemeinde geliebt hat (Eph 5,25-33, das gilt auch für Frauen mit ihren Männern, Tit 2,4). Auch in dieser Beziehung ist das Evangelium nicht lockerer geworden als das Gesetz. Im Gegenteil! Gott hat seine Einstellung im Neuen Testament nicht geändert. Wer sich von seiner Frau scheiden lässt, ausser wegen Unzucht, ist ein Ehebrecher (Mt 5,27-28; 19,6-9). Die Bedingungen sind eher noch schwieriger geworden. Dafür gibt es aber eine wesentliche Verbesserung vom Alten zum Neuen Testament; die Vergebung!
Achtens: „Du sollst nicht stehlen“ (Ex 20,15).
Wenn das Recht auf Eigentum in einer sozialen Gesellschaft nicht gesetzlich geschützt wird, dann hat das Anarchie und Totschlag zur Folge. Auch in dieser Beziehung geht der Neue Bund viel weiter als das Gesetz im Alten Bund. Der Geist Christi leitet uns an, nicht bloss das Stehlen zu unterlassen (Eph 4,28), sondern den Bedürftigen zu helfen (2 Thess 3,10-13). Diebstahl entstammt der Habsucht (1Kor 6,10). Jesus lehrt aber: „Geben ist seliger als Nehmen“ (Apg 20,35).
Neuntens: „Du sollst nicht falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ (Ex 20,16).
Dies wurde nicht nur den Israeliten durch die zehn Gebote verboten, sondern galt auch in den gottlosen Nachbarvölkern als Nichtakzeptabel. Ein altes Schriftstück aus dem damaligen Gesetzbuch Hammurabis bezeugt: „Wenn ein Mann einen andern als Mörder anklagt, aber es nicht beweisen kann, so soll der Ankläger dafür sterben.“ Mit einem solchen Gesetz überlegte sich ein Ankläger zweimal, ob er jemanden des Mordes anklagen sollte. Auch in Christus Jesus werden wir gelehrt, alle Verleumdungen abzulegen (Jak 4,11-12; 1Petr 2,1). Kein faules Wort soll über unsere Lippen kommen, sondern Worte der Auferbauung (Eph 4,29). Wir werden aufgerufen zu Segnen! (1 Petr 3,9-10). Wir werden auch aufgerufen alle Lüge abzulegen und die Wahrheit zu reden (Eph 4,25).
Zehntens: „Du sollst nicht begehren nach dem Hause deines Nächsten“ (Ex 20,17).
Das ist das einzige Gebot, das sich auf die Herzenshaltung des Menschen bezieht (Mk 7,21-23). Der Gedanke ist der Same zur Tat. Alles, was der Nachbar besitzt, sei es Haus, Frau, Auto usw. soll von uns unangetastet bleiben. Es gibt Menschen, die haben nur weltliches im Kopf und wo für sie noch etwas herausspringt. Sie sind gierig nach mehr, d. h. habgierig, habsüchtig. In ihrer Gier geraten sie „in Versuchung und in die Schlingen vieler törichter und schädlicher Begierden, die die Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen“ (1Tim 6,9). Das Evangelium geht weit über die zehn Gebote hinaus. Es lehrt uns nicht nur böse Begierden abzulegen (Eph 5,5; Kol 3,5-7), sondern eine neue Gesinnung anzuziehen. 1Petr 1,14-16: „Als Kinder des Gehorsams lasst euch nicht von den Begierden leiten, die euch früher, als ihr noch unwissend wart, beherrscht haben, sondern entsprecht dem Heiligen, der euch berufen hat, und werdet selbst Heilige in eurem ganzen Lebenswandel; denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ Das Evangelium ermahnt uns zum gottgefälligen Wandel (1Thess 4,1-8).
Die zehn Worte Gottes sind das Herzstück des Gesetzes. In den restlichen Büchern Mose werden die Israeliten mit viel mehr Geboten konfrontiert, die zu ihrem Bund mit Gott gehörten. All diese Gesetze machte das Volk eigenständig und unabhängig von andern Völkern. Wichtig ist für uns zu wissen, dass wir nicht weiter von Gott entfernt leben, wenn wir die zehn Gebote nicht halten. Denn das Evangelium Christi geht viel weiter als das ganze mosaische Gesetz.
III. Anwendung der zehn Gebote heute
Die zehn Gebote sind die Diagnose und das Evangelium ist die Kur zur Heilung. In Jesus Christus sind Gottes Worte Fleisch geworden (Joh 1,1). Jesus hat uns durch sein Leben gezeigt, wie Gottes Gebote in die Tat umgesetzt werden.
Schon im AT wies Gott immer wieder darauf hin, dass es ihm nicht um blosse Rituale geht, sondern um die Bekehrung des menschlichen Herzens. Die Frage ist: Gehorchen wir, weil wir den Herrn und seine Anleitungen und Vorschriften lieben? (Ps 119). Oder gehorchen wir, weil wir müssen und weil wir die Konsequenzen fürchten? Wer Gott erkennt, der dient ihm aus Freude, Dankbarkeit und Liebe! (Mt 22,37).