Einführung-AT12: Gottes Zorn im AT und Gottes Gnade im NT?

Einführung Altes Testament

 

 

Einleitung

Viele Bibelleser betrachten das Alte Testament irrtümlicherweise mit der Brille eines strengen und zornigen Gottes, ohne Gnade. Erst im Neuen Testament haben sie das Gefühl, dass die Gnade und Barmherzigkeit Gottes durch seinen Sohn Jesus Christus zu uns Menschen gekommen sei. Doch diese Ansicht ist falsch. Das soll mit den folgenden Gedanken begründet werden.

 

Gottes Zorn im AT

Es kann sicher nicht geleugnet werden, dass zahlreiche Stellen im AT von Gottes Zorn sprechen, der über die gottlosen und ungehorsamen Menschen hereinbrach:

- In den Tagen Noahs zerstörte Gott fast die gesamte Menschheit, wegen ihrer Gottlosigkeit (Gen 6,5-8). Nur Noah fand Gnade bei Gott und konnte dadurch seine ganze Familie vor der tödlichen Sintflut retten.

- Als die Israeliten ein goldenes Kalb machten und es auch noch anbeteten, fanden einige den Tod (Ex 32,35). Mose versuchte den Herrn zu besänftigen mit den Worten, dass die Gottlosen denken könnten, der Herr habe sein Volk in böser Absicht aus Ägypten herausgeführt (Ex 32,12). Dieses Gottesbild passt allen, die den Zusammenhang nicht in Betracht ziehen.

- Von den beiden Söhnen Aarons, Nadab und Abihu, lesen wir, dass sie dem Herrn ein unerlaubtes Feueropfer darbrachten und dabei den Tod fanden (Lev 10,1-2).

- Später, als sich die Rotte Korachs gegen Mose und Aaron auflehnten, indem sie das Priestertum begehrten, spaltete sich die Erde und verschlang alle, die sich auflehnten, samt ihren Familien und Angehörigen durch die Hand Gottes (Num 16,32-35).

- Als die Israeliten ins verheissene Land Kanaan kamen, vergassen sie, dass Gott ihnen befahl, alle Einwohner des Landes zu töten (Dtn 7,1-3). Sie verschonten Frauen und Kinder samt dem gesamten Vieh (Num 31,2a.9). Dasselbe geschah später mit dem König Saul (1Sam 15,9.12.22).

- Auch Ussa wurde mit dem Tod bestraft, als er die Bundeslade Gottes beim Transport berührte. Er meinte es zwar gut und wollte sie vor dem Umkippen bewahren. Doch damit verstiess er gegen Gottes Gebot und der Zorn des Herrn entbrannte gegen seine Vermessenheit (2Sam 6,1-7).
Auch an Warnungen fehlte es nicht, sodass jeder Ungehorsam bestraft wurde. Denken wir an den Segen und Fluch, der im Pentateuch den Israeliten mindestens zwei Mal mit allen Details durch Mose eingeschärft wurde (Lev 26; Dtn 27 und 28).

Die Kanaaniter wollte der Herr vernichten, weil sie Götzen anbeteten und ihre Kinder für ihre Götter durch das Feuer gehen liessen:

- Die Israeliten wurden vorher ermahnt, sich nicht mit den Bewohnern des Landes einzulassen (Ex 34,10-16; Lev 18,21.24-25; 20,22-23).

- Der Herr beteuert, dass er dieses Völker wegen ihrer Bosheit aus dem Land vertreiben will (Dtn 9,5). Denn alles, was dem Herrn ein Gräuel war, das taten diese Völker (Dtn 12,29-31).

- Der Herr warnt sein Volk, sich nicht an den Gräueln dieser Völker zu beteiligen (Dtn 18,9-15).

- Doch der König Achab handelte abscheulich, indem er seinen Sohn durch das Feuer gehen liess, nach der Sitte der abtrünnigen Völker im Land (1Kön 21,25-26; 2Kön 16,2-4).

- Deshalb beschloss Gott, der Herr, den Untergang des Reiches Israel, weil sie Gräueltaten trieben, wie die Völker vor ihnen (2Kön 17,9-20; 21,2; 2Chr 33,2.9).

Psalm 106,34-38:
„Sie vertilgten die Völker nicht, wie der HERR ihnen gesagt hatte, sondern vermischten sich mit den Nationen und lernten ihre Werke. Sie dienten ihren Götzen, und die wurden ihnen zum Fallstrick. Sie opferten ihre Söhne und ihre Töchter den Dämonen und vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer Söhne und Töchter, die sie den Götzen Kanaans opferten. So wurde durch Blutschuld das Land entweiht.”

Solche Beispiele sind für viele Bibelleser Grund genug zu sagen, dass das Alte Testament ein Bund des Zorns war. Eine Bibelstelle, die besonders gern zitiert wird, weil sie diese Tatsache zum Ausdruck bringt, finden wir in Johannes 1,17: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben worden; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus gekommen.” Doch hier wird nichts vom Zorn Gottes erwähnt, sondern nur die Gnade durch Jesus betont, die im Neuen Bund die Vergebung brachte.

 

Gottes Gnade im NT

Es ist nicht falsch zu sagen, dass das NT die Gnade Gottes betont, durch die wir gerettet werden:

Römer 3,24:
„Gerecht gemacht werden sie ohne Verdienst aus seiner Gnade durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.”

Epheser 2,8-9 (siehe 2,5):
„Denn durch die Gnade seid ihr gerettet aufgrund des Glaubens, und zwar nicht aus euch selbst, nein, Gottes Gabe ist es: nicht durch eigenes Tun, damit niemand sich rühmen kann.”

2. Timotheus 1,9:
„der uns errettet und uns berufen hat mit heiligem Ruf, nicht aufgrund unseres Tuns, sondern aufgrund seiner freien Entscheidung und seiner Gnade, die uns in Christus Jesus zugedacht wurde, vor aller Zeit.”

Titus 2,11:
„Denn erschienen ist die Gnade Gottes, allen Menschen zum Heil.”

Titus 3,7a:
„damit wir, durch seine Gnade gerecht gemacht, das ewige Leben erben, auf das wir unsere Hoffnung gesetzt haben.”

Diese Gnade wird uns Menschen nicht aufgrund unserer guten Werke zuteil, sondern aufgrund der Liebe Gottes (Joh 3,16). Weil es Gottes Wunsch ist, dass alle Menschen gerettet werden und nicht zugrunde gehen (1Tim 2,4; 2Petr 3,9), hat er uns seine barmherzige Gnade durch den Tod Jesu an unserer statt angeboten (Röm 5,8-9; 1Joh 3,16; 4,9-10). Doch der Tod Jesu am Kreuz war grausam, weil es ohne Blutvergiessen keine Vergebung der Sünden vor Gott gibt (Hebr 9,22). Das bleibt eine Tatsache im Alten- wie im Neuen Bund. Demzufolge hat sich Gott im Neuen Testament nicht geändert. Wir lesen auch im AT, dass Gott gnädig mit den Menschen umging. Genauso lesen wir im NT, dass Gott „ein verzehrende Feuer” ist (Hebr 12,28-29).

 

Gottes Gnade im AT

Der allmächtige Gott stellte sich Mose wie folgt vor:

Exodus 34,6b.7a:
„Der HERR, der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und von grosser Gnade und Treue, der Gnade bewahrt Tausenden, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt …”

Der Psalmist bezeugt (Ps 100,5): „Denn der HERR ist gut, ewig währt seine Gnade und seine Treue von Generation zu Generation.” Als Gott seinen Bund mit Israel schloss, begann er mit den folgenden Worten, die uns von Mose überliefert wurden (Ex 19,4): „Ihr habt selbst gesehen, was ich Ägypten getan und wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.”

Gott gab seinem Volk auch zu verstehen, dass er sie nicht wegen ihrer Grösse, ihrer Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit aus der ägyptischen Sklavschaft befreite und ins Land Kanaan führte, sondern weil der Herr sie liebte und mit seiner Gnade alle beschenkt, die ihn lieben:

Deuteronomium 7,7-9:
„Nicht weil ihr zahlreicher wäret als alle anderen Völker, hat sich der HERR euch zugewandt und euch erwählt - denn ihr seid das kleinste von allen Völkern -, sondern weil der HERR euch liebte und weil er den Eid hielt, den er euren Vorfahren geschworen hatte, darum führte euch der HERR heraus mit starker Hand und befreite dich aus dem Sklavenhaus, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du erkennen, dass der HERR, dein Gott, Gott ist, der treue Gott, der den Bund hält und die Gnade bewahrt denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, bis zur tausendsten Generation.”

Deuteronomium 9,4-7:
„Wenn sie der HERR, dein Gott, vor dir verjagt, so denke nicht: Um meiner Gerechtigkeit willen hat der HERR mich in dieses Land geführt, um es in Besitz zu nehmen. Denn der Bosheit dieser Nationen wegen vertreibt der HERR sie vor dir. Nicht um deiner Gerechtigkeit und deiner Aufrichtigkeit willen kommst du in ihr Land, um es in Besitz zu nehmen, sondern ihrer Bosheit wegen vertreibt der HERR, dein Gott, diese Nationen vor dir, um wahr zu machen, was der HERR deinen Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat. So wisse denn, dass der HERR, dein Gott, dir dieses gute Land nicht um deiner Gerechtigkeit willen gibt, damit du es in Besitz nehmen kannst, denn du bist ein halsstarriges Volk. Denke daran, vergiss es nicht, wie du den HERRN, deinen Gott, erzürnt hast in der Wüste. Von dem Tag an, als du ausgezogen bist aus dem Land Ägypten, bis ihr an diesen Ort gekommen seid, habt ihr euch dem HERRN widersetzt.”

Der allmächtige Gott war es, der freiwillig Abraham seinen Bund anbot. Schliesslich gab er den Israeliten das Land, weil er dies Abraham versprochen hatte (Gen 12,7) und nicht weil sie so gerecht waren. Daraus erkennen wir, dass Gott für sein auserwähltes Volk im Alten Testament alles aus Gnade und Liebe tat.

 

Gottes Zorn im NT

Das Alte Testament lehrt, dass Gott ein Gott der Gnade ist. Gleichzeitig lehrt es aber auch, dass Gott ein Gott des Zorns und der Vergeltung ist. Dasselbe gilt auch für das Neue Testament. Im Alten Testament haben wir Nadab und Abihu erwähnt, die wegen eines unerlaubten Feueropfers mit dem Tod bestraft wurden (Lev 10,1-2). Im Neuen Testament lesen wir von Ananias und Saphira, die den Heiligen Geist belogen hatten und deswegen sterben mussten (Apg 5,1-10).

Jesus lehrte (Mt 7,13): „Weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und viele sind es, die da hineingehen.” Durch das Gleichnis vom Unkraut verglich Jesus „die Söhne des Bösen” mit dem Unkraut, das in den Feuerofen geworfen und verbrannt wird (Mt 13,36-43). Dort werde Heulen und Zähneklappern sein. In Bezug auf das grosse Endgericht der Welt lehrt Jesus in einem Gleichnis, dass der gute Hirt alle „Böcke” zur Linken sammeln wird, die „in die ewige Strafe gehen” werden (Mt 25,33.46).

Aus Epheser 5,6 lernen wir, dass der „Zorn Gottes” über die Söhne und Töchter des Ungehorsams kommen wird (siehe auch Kol 3,5-6). Paulus schreibt auch den Thessalonichern von dem „gerechten Gericht Gottes” das „Vergeltung üben” wird „an denen, die Gott nicht kennen und die dem Evangelium Jesu, unseres Herrn, nicht gehorchen. Ewiges Verderben wird die Strafe sein …” für alle Gottlosen (2Thess 1,5.8-9). Aus der Offenbarung (14,11a) entnehmen wir: „Und der Rauch ihrer Pein steigt empor in alle Ewigkeit …”, und sie werden keine Ruhe finden, weil sie die toten Götzen statt den lebendigen Gott angebetet haben.

Genügen diese Hinweise, um zu zeigen, dass sich der allmächtige Gott seit der Schöpfung der Welt nicht verändert hat, da im Alten- wie im Neuen Testament über seinen Zorn als auch über seine Gnade berichtet wird?

Gesetz versus Gnade und Wahrheit

Das alttestamentliche Gesetz als auch das Evangelium lehren, dass Gott Gnade walten lässt, aber auch Rache übt. Wie wir gesehen haben, ist Gott im AT als auch im NT derselbe geblieben. Die beiden Testamente dürfen nicht so verstanden werden, dass es nur ein entweder oder gibt. Genau so verhält es sich auch mit der Aussage des Johannes (Joh 1,17): „Das Gesetz ist durch Mose gegeben worden; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus gekommen.” Das Neue Testament enthält sehr wohl ein Gesetz für Christen, das verbindlich ist (Gal 6,2; Jak 1,25). Es gibt also ein Gesetz im AT und ein Gesetz im NT. Doch Jesus ist das „Ziel und Ende” des alttestamentlichen Gesetzes (Röm 10,4). Denn Jesus ist der Mittler eines viel besseren Bundes, der viel bessere Verheissungen enthält (Hebr 8,6). Wäre der erste Bund ohne Mängel gewesen, so hätte es keinen zweiten gebraucht (Hebr 8,7).

Der Hebräerschreiber sagt es klar und deutlich (Hebr 8,13; NGÜ): „Indem Gott von einem neuen Bund spricht, erklärt er den ersten für veraltet. Was aber alt ist und ausgedient hat, wird bald ganz verschwinden.”

Schlussfolgerung

Das Alte- als auch das Neue Testament stellen Gott gnädig und zornig dar. Paulus lehrt (Röm 11,22): „Du hast hier also beides vor Augen, Gottes Güte und Gottes Strenge: seine Strenge denen gegenüber, die sich von ihm abgewendet haben, und seine Güte dir gegenüber – vorausgesetzt, du hörst nicht auf, dich auf seine Güte zu verlassen; sonst wirst auch du abgehauen werden.”

Wir sehen also, dass Gott sowohl gütig als auch streng sein kann. Mit den einen ist er gütig und mit den anderen ist er streng. In Hebräer 12,5 lesen wir: „Mein Sohn, achte nicht gering die Erziehung des Herrn, und verliere den Mut nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn den er annimmt.”

Unser Schöpfergott ändert sich nicht. Wie er zur Zeit des Alten Testaments war, so ist er auch im Neuen Testament. Jeder, der seine Sünden einsieht und reumütig vor Gott bekennt, indem er sein Leben ändert und sich bemüht, Gottes Geboten gehorsam zu sein, wird seine Gnade und Barmherzigkeit erfahren. Wer jedoch Gottes Liebesangebot ignoriert oder ablehnt, der muss mit Strafe, Zorn und Rache rechnen. Denn der Herr will, dass alle Menschen umkehren von ihrem sündhaften Treiben und sich zu Jesus Christus bekehren.

Lukas 19,10: „Denn der Menschensohn ist gekommen zu suchen und zu retten, was verloren ist.”