Hesekiel-24: Jerusalem, ein rostiger Topf auf dem Feuer

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Verse 1-14: Gleichnis vom Kessel.

Das Datum wurde von der Wegführung des Königs Jojachin19 errechnet (598/7 v. Chr.). (Es gibt Ausleger, die beziehen das Datum auf das Regierungsjahr Zedekias20, was auf dasselbe hinauskommt: 2. Kön. 25,1-2; Jer. 52,3-4.)

Hesekiel soll sich dieses Datum genau merken (V. 1-2).
Weshalb? Weil das einer der wichtigsten Tage in Israels Geschichte sein wird. Weil das der Tag ist, an dem Nebukadnezar mit seinen Truppen aus dem Norden ins Land eindringen und die Stadt Jerusalem belagern wird. Aus verschiedenen Stellen wissen wir, dass diese Belagerung 18 Monate dauerte, bis die Stadt eingenommen und zerstört wurde (2. Kön. 25,1-2; Jer. 39,1; 52,4). Der Untergang Jerusalems (587/6 v. Chr.) ist der schwärzeste Tag in der Geschichte Israels. Alles verliert seinen Sinn: Der Glaube an Gott und sein auserwähltes Volk. Der Bund und das Gesetz Gottes, das durch Mose übermittelt wurde. Die Königsherrschaft, die Stadt und das ganze Reich, samt dem heiligen Tempel. Jeremia weint in seinen Klageliedern um die Stadt (Klag. 1,1-4). Dieser Tag wurde zum Fastentag für die Juden im Exil (Sach. 8,19). Heute noch wird dieser Tag im jüdischen Kalender besonders beachtet.

Es gibt Kreise, die zweifeln daran, wie Hesekiel diesen Tag wissen konnte, da er doch, über 1 000 Kilometer weit weg, im Exil lebte. Einige geben als Erklärung an, dass Hesekiel selbst nach Jerusalem reiste. Andere behaupten, dass Hesekiel sein Buch nach dem Untergang schrieb. Wer glaubt, dass Gott selbst diese Worte seinem Propheten inspirierte, der hat keine Mühe mit diesem Datum.

Der Herr spricht zu Hesekiel in einem Gleichnis über die Belagerung (V. 3).
In Kapitel 11,4 wurde bereits von einem Topf mit Fleisch darin gesprochen. Der Topf symbolisiert die Stadt und das Fleisch symbolisiert die Menschen. In Kapitel 11 sind die Oberen der Stadt das Fleisch im Topf. Sie behaupten, dass sie sicher sind vor ihren Feinden, wie das Fleisch in einem bronzenen Kessel (V. 11), das vor dem Feuer geschützt bleibt. Hesekiel soll dieses Gleichnis nehmen und neu interpretieren. In Kapitel 24 erklärt er, dass mit dem Fleisch im Topf alle Bewohner Jerusalems gemeint sind. Sie sind keineswegs sicher. Im Gegenteil! Sie werden vom Feuer verzehrt, das ist die babylonische Armee. Gott befiehlt, dass der Kochtopf erneut auf das Feuer gestellt werden soll, denn diesmal wird alles durch das Feuer verzehrt werden.

Hesekiel soll alles bereit machen zum Kochen (V. 4-5).
Das heisst, wie sich die babylonische Armee zur Belagerung und Einnahme der Stadt bereit machte, soll der Kochtopf über dem Feuer zubereitet werden. Nachdem Wasser in den Topf geschüttet wurde, sollten verschiedene gute Fleischstücke, samt Knochen, gut darin gesiedet werden. Denn das Fleisch stellt das Volk Gottes dar, das in Jerusalem schmoren wird.

Dann warnt Gott die Stadt „des vergossenen Bluts“, voller Bluttaten (V. 6-8).
Im Kessel ist Rost oder Unreines, das nicht mehr weggeht, weil das Böse unverändert geblieben ist unter dem Volk. Darum wird das Fleisch wahllos herausgefischt, bis nichts mehr übrigbleibt. Damit werden die Menschen beschrieben, die aus der Stadt genommen und in alle Richtungen verstreut werden. „Ihr Blut war in ihrer Mitte“ bedeutet, dass in dieser Stadt auch unschuldige Menschen ermordet werden. Dieses Blut schreit zum Himmel, weil es auf den nackten Felsen gegossen wurde und nicht auf die Erde, wo es versickert oder bedeckt werden kann (Lv. 17,13). Das bedeutet, die Bosheit der Menschen liegen offen sichtbar (wie auf einem Felsen) und können nicht vertuscht werden (in der Erde versickern). Ähnlich wie im heutigen Mexico, wo täglich Menschen auf offener Strasse ermordet werden. In Vers 8 erfährt diese Aussage eine unerwartete Wende, indem der Herr selbst dafür sorgte, dass die Bosheit der Bewohner allen offenbart wird. Deshalb ist sein Zorn gross, so dass er Rache nimmt (Gn. 4,10; Jes. 26,21).

Ein zweiter Wehruf (Warnruf) wird wider die „Stadt des vergossenen Bluts“ ausgesprochen (V. 9-14).
Im ersten Wehruf wird die Betonung auf den Inhalt des Topfes gelegt. Im zweiten Wehruf geht es um die Zerstörung des Topfes selbst. Hesekiel soll einen grossen Holzstoss unter dem Kessel aufschichten und ihn anzünden (V. 9). Dann soll alles Fleisch und alle Knochen, die noch im Topf sind, überhitzt werden, so dass alles Fleisch verkocht wird und die Knochen verkohlen (V. 10). Das bedeutet, dass alle übrigen Bewohner, die nicht ins Exil gekommen sind, sondern qualvoll in der Stadt ausgeharrt haben, einen jämmerlichen Tod finden werden. Schliesslich wird der leere Topf auf dem Feuer glühen, bis er verschmilzt (V. 11). Gott scheut nicht einmal die Mühe, den Topf durch die Hitze des Feuers zu reinigen (V. 13). Denn das ist vergebliche Mühe (V. 12). Der Topf ist und bleibt rostig, d. h. unrein (V. 13). Der Rost am Topf ist zu weit fortgeschritten. Er ist unbrauchbar geworden und soll vom Feuer vollends zerstört werden. Das heisst im Klartext, dass Jerusalem vollständig zerstört werden soll. Gott, der Herr hat es so beschlossen (V. 14). Es gibt kein Zurück mehr, denn von nun an lässt sich Gott nicht mehr umstimmen. Dann wird etwas Erschreckendes gesagt, was uns ein Teil über Gottes Wesen offenbart: „Ich werde kalt blicken und es nicht bereuen.“ Gott kann also unbelehrbare Menschen wie ein rostiger Topf behandeln. Es reut ihn kein bisschen, eine Stadt wie einen unbrauchbaren Topf zu entsorgen. Genauso wird es am endgültigen Gerichtstag Gottes sein, wo sein Zorn über alle gottlosen Menschen kommen wird. Der Untergang der Menschen und die Zerstörung der Erde wird den Herrn kalt lassen. Er wird es nicht bereuen, denn er hat es lange zuvor angekündigt und sein Gericht wird gerecht und endgültig sein! Amen, so soll es sein: „Spruch Gottes des Herrn“, mein Wort gilt, das ist beschlossene Sache.

 

 II.   Verse 15-24: Die Frau Hesekiels stirbt.

Das Gleichnis vom rostigen Topf ist abgeschlossen.

In den kommenden Versen erfahren wir etwas über die Ehe Hesekiels (V. 15-16).
Seine Frau war ihm eine „Augenweide”. Er liebte seine Frau sehr und sie bedeutete für ihn alles. Doch der Herr macht auch vor seiner Privatsphäre nicht Halt. Gott macht keinen Unterschied, zwischen dem beruflichen Auftrag und der Privatsphäre Hesekiels. Auch sein Leben soll tüchtig durchgerüttelt und durchgeschüttelt werden. Seine Frau soll nämlich eines plötzlichen Todes sterben. Es scheint, als findet die Superlative kein Ende. Gott verlangt von seinem Diener das Unmögliche: Er soll nicht einmal trauern um seine Frau. Er soll nicht weinen und keine Träne vergiessen. Er darf nur heimlich stöhnen und soll regungslos bleiben. Er darf für sie nicht einmal die Totenklage halten. Er darf sich keine Trauer anmerken lassen, sondern soll sich seinen Kopfschmuck und seine Sandalen anziehen, wie jeden Tag (Ex. 39,28; Hes. 44,18). Er soll sich auch nicht den Lippenbart verhüllen (wie das Brauch war, als Zeichen grosser Trauer, Mi. 3,7). Er soll auch kein Brot essen, das heisst, er soll keine Trauermahlzeit einnehmen (Jer. 16,5). Spätestens hier würde mein göttlicher Auftrag beendigt sein.

Der Herr sagte dem Hesekiel nur, dass seine Frau sterben werde, aber nicht wann. Am Morgen predigte Hesekiel zu seinen Landsleuten das Wort Gottes, wie jeden Tag (V. 18a). Am selben Tag, als der Herr ihm die „Hiobsbotschaft“ übermittelte, starb seine geliebte Frau. Das heisst, eine ganze Nacht lang konnte er um sie weinen und trauern. Doch am andern Morgen musste er sich beherrschen und sich so verhalten, wie ihm der Herr geboten hatte (V. 18b).

Alle Leute, die ihn besuchten und ihm Beileid und Trost geben wollten, verstanden sein Verhalten nicht (V. 19).
Hesekiel verhielt sich so, als wäre nichts geschehen. Nichts deutete darauf hin, dass er um seine verstorbene Frau trauerte. „Was soll deine befremdende Reaktion?“ fragten sie ihn. Jeder, der Hesekiels Ehe kannte, wusste, dass hier etwas nicht stimmen konnte.

Hesekiel benutzte diese Gelegenheit, um Gottes Wille zu verkünden (V. 21-24):
Es ist eindrücklich zu sehen, dass er dabei seinen bedrückenden Gefühlen nicht nachgab und seinen Trauergedanken keinen freien Lauf liess. Hesekiel blieb stark und erklärte seinen Besuchern alles, was der Herr ihm aufgetragen hatte (V. 20): Er beginnt mit den Worten: „So spricht Gott der Herr.“ „Ich zerstöre euer Heiligtum“ (V. 21a). Damit ist wohl nicht bloss der Tempel, sondern die ganze Stadt gemeint. Der Tempel war ihnen eine Augenweide und eine Sehnsucht ihrer Seelen. Hinter den dicken Mauern Jerusalems fühlten sie sich sicher. Zudem lag die Stadt auf dem Berg Zion (Ps. 48,1-3). „Ich lasse eure Söhne und Töchter, die ihr in Jerusalem zurückgelassen habt, durch das Schwert umkommen“ (V. 21b). „Ihr werdet von der Schreckensnachricht so entsetzt sein, dass ihr euch verhalten werdet wie Hesekiel“ (V. 22). Nur in einem wird es einen Unterschied geben (V. 23): „Ihr werdet von der Trauer über eure Schuld zugrunde gehen.“ „Denn Hesekiel ist ein Mahnzeichen für euch“ (Hfa). „Es wird euch genauso gehen wie ihm“ (Hfa). „Diese Tragödie wird euch überwältigen und lähmen.“

 

 III. Verse 25-27: Entkommene erzählen alles.

Mit der Stätte ihrer Zuflucht (V. 25) ist nicht nur der Tempel, sondern die ganze Stadt gemeint (2. Sam. 5,7.9; 1. Chr. 11,5.7; Ps. 18,2; Spr. 21,22; Sach. 9,12; Hes. 30,15). Nachdem Jerusalem endlich eingenommen war, wurden viele Bewohner getötet oder weggeführt. Nur die aller Ärmsten wurden zurückgelassen (Jer. 39,9-10). Viele Stadtbewohner starben schon vorher, durch Hunger oder Krankheit.

Die Entkommenen aber würden zu Hesekiel gehen und ihm alles berichten (V. 26).
Sie würden ihm die endlos lange Belagerungszeit schildern. Sie würden ihm erzählen, wie die geliebte Stadt eingenommen und zerstört wurde.

Von diesem Tag an wird Hesekiel wieder reden können (V. 27).
Die Reise von Jerusalem nach Babylon dauerte ungefähr drei Monate. In dieser Zeit schwieg der Prophet, bis die Entkommenen ankamen. Gott war es, der seinem Diener den Mund öffnete, um zu sprechen oder verschloss, um zu schweigen (Hes. 3,26-27). In Kapitel 33,21-22 lesen wir, dass ein Entkommener zu Hesekiel kam und ihm alles berichtete, was geschehen war. Da öffnete der Herr den Mund des Propheten wieder. An diesem Tag fing Hesekiel wieder an, das Wort des Herrn zu verkünden. Doch diesmal waren es keine Worte des drohenden Untergangs, sondern Worte des Trostes und der neuen Hoffnung für Israel (wie wir in Kapitel 34-39 lesen). Es brauchte keine Untergangspredigten mehr, denn der Untergang Jerusalems lag ja hinter ihnen.

Die Menschen fragten sich vielmehr: „Wie geht es nun weiter?“ Im zweiten Teil seines Buchs, erklärte Hesekiel ihnen Gottes Plan. Hesekiel erwies sich als wahrhafter Prophet Gottes. Alle seine Prophezeiungen erfüllten sich. Umso mehr hatten die Leute nun allen Grund, ihm gut zu zuhören und seinen Worten zu glauben.

 

 IV. Schlussfolgerungen zu Kapitel 24

Wer Gott liebt und IHM dienen will, der ist bereit, jeden Preis zu zahlen. Jesus sagt zu seinen Jüngern (Mt. 16,24): „Wenn einer mir auf meinem Weg folgen will, verleugne er sich und nehme sein Kreuz auf sich, und so folge er mir.“ Viele Glaubenshelden, wie Hesekiel, zeigen uns immer wieder, dass es ohne Leiden für das Evangelium nicht geht: Ohne Kreuz keine Krone. Sie lehren uns aber auch, dass es sich lohnt, für das Evangelium zu leiden.

Viele meinen, weil es in 1. Johannes 4,8 heisst: „Gott ist Liebe“, dass Gott nicht zornig sein und niemand strafen kann. Dieses Kapitel sagt aber das Gegenteil. Feststeht, wer sich widerspenstig und starrsinnig immer wieder gegen Gottes Willen auflehnt, der muss mit harten Konsequenzen rechnen. Gott wird solchen Menschen nicht nachtrauern. Sie werden ihn kalt lassen und er wird es nicht bereuen, sie zu strafen. Die Lehre, dass alle Menschen einmal gerettet sein werden, ist also falsch. Wir sollten immer die Güte und die Strenge Gottes vor Augen haben (Röm. 11,22).

Weshalb wird der Untergang Jerusalems in der Bibel so ausführlich geschildert? Weil Gott will, dass wir darüber nachdenken, denn der Untergang der Welt steht uns allen nahe bevor. Sind wir innerlich jederzeit bereit, diese Welt zu verlassen, um beim Herrn zu sein? Oder nimmt der Alltag und die Lust der Welt uns so gefangen, dass wir am Tag des Gerichts völlig überwältigt wären, wie die Bewohner Jerusalems? Was oder wer ist unsere Augenweide? Woran hängt unser Herz? Das Leben ist zu kurz und zu unsicher, um nur einen Tag verstreichen zu lassen, ohne sich nicht vorbereitet zu haben für das wahre Leben, das kommt, in der Ewigkeit bei Gott.