Der Sieg Christi
2b. Die Gemeinde, die arm und doch reich war
I. Eine Gemeinde ohne Mahnungen
Das Sendeschreiben an die Gemeinde in Smyrna enthält keine Warnungen und auch keine Verurteilungen (ebenso die Gemeinde in Philadelphia). Was würde wohl der Herr Jesus uns als Gemeinde in St. Gallen schreiben? Eine Gemeinde, die von Jesus nur gelobt wird, darf sich glücklich schätzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die erwähnten Gemeinden perfekt waren. Jede Gemeinde besteht aus Menschen und alle Menschen sind Sünder und ermangeln Gottes Gnade (Röm 3,23). Selbst die Bibellehrer fehlen viel (heisst es im Jak 3,1-2) und sollen daher nicht zu zahlreich auftreten. Wer behauptet ohne Sünde zu sein, der steht nicht in der Wahrheit, sondern macht Jesus zum Lügner (1Joh 1,8-10). Mit andern Worten; Mängel hatten alle sieben Gemeinden.
Was war denn an der Gemeinde in Smyrna so besonders, dass sie keinen Tadel empfing? Vielleicht war die Gemeinde so sehr in Bedrängnis geraten, dass der Herr in seiner Einfühlsamkeit keine Ermahnungen, sondern nur Zuspruch und Trost spenden wollte. Alles hat seine Zeit und manchmal brauchen wir besonderen Zuspruch, um weiter zu machen und nicht aufzugeben (Koh 3,7). Jede Warnung oder Verurteilung wäre da falsch am Platz. Auf diese Weise erfüllt sich das prophetische Wort des Jesaja (Mt 12,20): „Geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen und glimmenden Docht nicht auslöschen ...“ Wie die Situation auch war, Tatsache ist, dass die Gemeinde in Smyrna keine Zurechtweisungen oder Warnungen enthält.
II. Geschichtlicher Hintergrund zur Stadt Smyrna
Die Stadt lag ca. 60 Kilometer nördlich von Ephesus. Sie war für Ephesus eine grosse Konkurrenz, da sie als die schönste Stadt in der Provinz Asia galt. „Als Zierde, Krone und Schmuckstück Asiens bezeichnete man sie. Der griechische Schriftsteller Lucian (geb. um 120 n. Chr.) hielt Smyrna für die „schönste Stadt Joniens.“ Sie besass einen kleinen und einen grossen Hafen, beide galten als besonders sicher.
Als griechische Kolonie wurde die Stadt um 1000 v. Chr. gegründet. Etwa 600 v. Chr. brachen Lydier von Osten her in die Stadt und zerstörten sie. Danach lag Smyrna 400 Jahre lang brach und bestand nur noch aus einer Ansammlung von kleinen Dörfern. Um 200 v. Chr. begann Lysimachos, ein General des Alexanders des Grossen, die Stadt wieder aufzubauen, und zwar nach einem genauen Plan. So wurden z. B. gerade Strassen gebaut, die breit und gepflastert waren und für die neue Stadt charakteristisch wurden.
Smyrna passte sich der römischen Herrschaft schnell an und baute im Jahre 195 v. Chr. einen Tempel zu Ehren der Gottheit „Roma“. Es gab zahlreiche Tempel zu Ehren verschiedener Götter in der Stadt. Es gab auch einen Tempel für den Fruchtbarkeitsgott Dionysus, der als Gott des Weines bekannt war. Im Zusammenhang mit dieser Gottheit wurde jeden Frühling ein Stadtfest gefeiert. Heidnische Priester erhielten Kronen, um im Frühling den Tod, die Beerdigung und die Auferstehung des Lebens zu zelebrierenden. Es ist wie wenn heute die Fastnacht gefeiert wird, mit der Absicht die bösen Wintergeister zu vertreiben. Später (26 n. Chr.) wurde zu Ehren des „göttlichen“ Tiberius ein weiterer Tempel errichtet. Unter Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.) wurde Christus gekreuzigt! Smyrna war in der Antike enthusiastisch römisch. Als es z. B. der römischen Armee während eines besonders strengen Winters an warmer Kleidung mangelte, rissen die Bewohner von Smyrna ihre Kleider vom Leib und sandten sie der Armee.
Nebst vielen gottlosen Heiden, waren auch die Juden in Smyrna besonders zahlreich vertreten. Sie taten alles was in ihren Kräften stand, um der Gemeinde Christi zu schaden. Immer wieder versuchten sie die römischen Behörden gegen die Glieder der Gemeinde aufzuhetzen. In der heutigen Zeit ist Smyrna als Ismir bekannt; eine grosse und nach wie vor bedeutende Stadt in der Türkei, mit etwa 2 Millionen Einwohnern.
III. Hintergründe zur Gemeinde in Smyrna
Leider erfahren wir aus der Bibel nicht mehr über die Gemeinde. Alles was aus der Bibel zu erfahren ist, ist das was wir aus diesem Sendeschreiben entnehmen können. Vermutlich wurde auch diese Gemeinde während der Zeit gegründet, als Paulus sich in Ephesus aufhielt und das Wort in ganz Kleinasien wuchs (Apg 19,10-12).
Aus den Geschichtsbüchern erfahren wir jedoch eine interessante Geschichte, die sich viele Jahre später ereignet hatte. Es ist der Bericht von Polykarp, einem Bischof in Smyrna, der am 23. Februar 155 n. Chr. auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde wegen seines Glaubens. Während der Zeit der öffentlichen Spiele in Smyrna, wurde Polykarp gefangen genommen und mitten in die Arena geführt, wo eine grosse Volksmenge tobte. Polykarp wurde vor den Prokonsul gestellt mit der Wahl, entweder den Namen Jesu zu verfluchen und dem Kaiser ein Opfer zu darzubringen, oder zu sterben. Doch Polykarp blieb unerschütterlich, denn für ihn war nur Jesus Christus der Herr. Mit fester Überzeugung antwortete er dem Prokonsul: „Sechsundachtzig Jahre habe ich ihm gedient, in denen er mir nie etwas Böses zugefügt hat. Wie kann ich den König, der mich gerettet hat, verfluchen?“
Als der Prokonsul ihn mit dem Feuertod bedrohte, erwiderte Polykarp: „Du drohst mir mit einem zeitlichen Feuer, das rasch erlischt, da du das Feuer nicht kennst, das die Gottlosen beim jüngsten Gericht erwartet und sie auf ewig bestraft. Warum zögerst du noch? Tue, was du willst, mit mir!“ Darauf wurde Holz für den Scheiterhaufen herbeigeschleppt. Die Juden beteiligten sich besonders stark, obwohl es Sabbat war und sie damit den Ruhetag schändeten, indem sie Lasten trugen. Als man Polykarp festbinden wollte, sagte er zu ihnen: „Lasst mich, wie ich bin. Der mir Kraft schenkt das Feuer zu ertragen, wird mir auch beistehen, dass ich auch ohne die Sicherheit, die mir eure Nägel gewähren, unbeweglich in den Flammen ausharre.“ So banden sie ihn nur ganz locker an den Pfahl und überliessen ihn den Flammen. Polykarp aber betete und sang Gott Loblieder, während er von den Flammen verzehrt wurde. Polykarp blieb tatsächlich dem Herrn treu bis in den Tod!
Dieser Tatsachenbericht zeigt, dass es in Smyrna nicht leicht gewesen sein muss, sich als Christ zu bekennen.
IV. Das Sendschreiben an die Gemeinde Smyrna
Vers 8: Jesus sagt: „Ich bin der Erste und der Letzte, der tot war und der [wieder] lebendig geworden ist.“ Im ersten Kapitel der Offenbarung erzählt der Apostel Johannes seine unheimliche Begegnung mit Jesus, der zu ihm sprach, als er in Verzückung geriet: Offb 1,11-18.
Jesus ist das Alpha und das Omega (=Anfangs- und Endbuchstaben des griech. Alphabets) (Offb 1,8). Damit deutet der Herr auf sich als die einzig wahre und ewige Gottheit, im Gegensatz zu den menschlich erfundenen Göttern, die in Smyrna verehrt wurden. Jesus war der Erste, der von den Toten auferstand und in Ewigkeit lebt. Dies sagt er besonders in Bezug auf die extremen Todesleiden, die die Christen im ersten Jahrhundert durchleiden werden. Er tröstet sie mit den Worten, dass er bereits den Tod überwunden hat und vergewissert ihnen, dass auch sie an seiner Auferstehung Anteil haben werden. Gleichzeitig ist Jesus auch der Letzte, weil er alle Menschen und Regierungen überleben wird bis zum Tag des grossen Gerichts, wo er als wahre Gottheit der ganzen Menschheit sichtbar erscheinen wird.
Jesus war tot und wurde wieder lebendig, wie die Stadt, die gelebt hatte und dann vierhundert Jahre tot war, schliesslich aber wieder zu neuem Leben erwachte. Jesus hat die Schlüssel, d.h. die Macht über den Tod und den Hades (Offb 1,18).
Vers 9a: Jesus sieht (εἴδω, von ὁράω = zu-an-sehen, nicht Erkenntnis!) die Trübsal und die Armut die in der Gemeinde herrscht. Unter dem griech. Wort für Trübsal (θλίψις) verstand man zerquetschen, zermalmen. Z. B. das Zermalmt werden von einem Felsen. Auch die Christen in Smyrna wurden schwer bedrängt und ihr Leben stand unter intensivem Druck zerquetscht oder zermalmt zu werden. Jesus bestätigt mit andern Worten: „Ich verstehe den grossen Druck, unter dem ihr leidet. Ihr werdet verfolgt und gelästert. Einige haben Arbeit und Familien verloren. Viele von euch werden ins Gefängnis geworfen und getötet. Ich verstehe euch, es ist sehr hart.“
Jesus verstand tatsächlich von was er redete, da er ja selbst im Garten Gethsemane (Gethsemane: Ölpresse) unter gewaltigem Druck stand und betete: „Vater, wenn du willst, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ (Lk 22,42a). Jesus versteht auch uns heute, wenn wir leiden und fast zerquetscht werden vom Alltag: Hebräer 2,18; 4,15.
Jesus sah die Armut der Glieder in Smyrna. Es war offensichtlich so wie Paulus schon den Korinthern erklärte, dass „nicht viele Weise nach dem Fleische, nicht viele Mächtige, nicht viele Leute von vornehmer Geburt“ sind berufen (1Kor 1,26). Sondern, „was vor der Welt töricht, ... schwach, ... niedriggeboren,“ und „verachtet ist“ hat Gott erwählt (1 Kor 1,27-28). Jesus selbst wurde arm um unseretwillen, damit wir durch seine Armut reich würden (2 Kor 8,9).
Doch Jesus tröstet alle Gläubigen in Smyrna, indem er sie an ihr Heil erinnert und sagt: „ihr seid aber reich.“ Niemand soll sich als Christ selbstbemitleiden! Denn in der wichtigsten Sache der Welt sind alle Gläubigen reich und zählen zu den ganz grossen Gewinnern. Wir alle sind die Erben der himmlischen Verheissung (Gal 3,29).
Jesus geht weiter und sagt: „Vielleicht steht ihr unter grossem Druck und grosser Bedrängnis, doch das alles werdet ihr schnell vergessen haben, wenn ihr die Herrlichkeit seht, die euch erwartet.“ Es ist wie mit einer Mutter, die ihr Kind geboren hat. Die Freude ist so überwiegend, dass die Geburtsschmerzen schnell vergessen sind. „Vielleicht habt ihr eure Arbeit und sogar eure Familien verloren, aber seid getrost, im Himmel müsst ihr gar nicht mehr arbeiten und gleichzeitig werdet ihr einer vollkommenen und geistlichen Familie hinzugefügt. Vielleicht werdet ihr zur Zeit hart geprüft und sogar ins Gefängnis geworfen, ich verspreche euch“ (siehe Mt 5,10-12).
Weiter sagt Jesus: „Euer Leib und Leben steht zwar unter grosser Bedrängnis, aber eure Seelen sind ewiglich gerettet und das ist doch das Wichtigste“: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ (Röm 8,31). Die Christen in Smyrna besassen einen Reichtum, den ihnen niemand wegnehmen konnte, genauso wenig wie uns Gläubigen in der heutigen Zeit.
Vers 9b: Die uneinsichtigen Juden und ihre Synagoge. Jesus bezeichnet den Ort der jüdischen Zusammenkunft „eine Synagoge Satans.“ Damit ist gemeint, dass die ungläubigen Juden, die Jesus nicht als Messias annehmen konnten, sich von Satan gebrauchen lassen, um die Christen zu verfolgen. Jesus und Paulus erfuhren in ihrem Leben den Einfluss der Juden bei der römischen Behörde besonders stark. Die Juden lästerten und verfolgten Jesus und seine Nachfolger schon vor Jahren bis zum Tod. Genau diesen Prüfungen waren nun auch die Gläubigen in Smyrna ausgesetzt.
Vers 10: Jesus tröstet die Christen mit den Worten: „Fürchtet euch nicht!“ Ähnliche Worte sagte er schon seinen Jüngern: Johannes 16,33. Hier wird dasselbe griech. Wort für „Angst“ (θλίψις) gebraucht, das in der Offenbarung aber für Trübsal eingesetzt wurde. Auch die Angst ist ein bedrückendes Gefühl, das uns zu zermalmen droht. Die Angst vor den Leiden, vor dem Tod, vor der Ungewissheit. Interessant ist bei beiden Bibelstellen, dass Jesus den Christen nicht verspricht, ihre Angst oder ihre Trübsal und Leiden wegzunehmen. Er sagt nur: „Fürchtet euch nicht vor all diesen Leiden. Seid treu und vertraut mir, selbst, wenn euch das Leben genommen wird. Ich bringe euch sicher durch diese Trübsal und ihr werdet am Ende als Sieger mit der Krone des Lebens hervorgehen.“
Doch zuerst werden sie 10 Tage leiden. Was ist damit gemeint? Der Gemeinde stand eine schwere Zeit bevor, die von noch grösseren Verfolgungen heimgesucht wurde. Die 10 Tage sind symbolisch zu verstehen und deuten auf eine ganze Zeitperiode hin, die aber ein Ende haben wird. Keine Verfolgung dauerte jemals genau 10 Tage lang. Wir wissen heute aus der Geschichte, dass die Christenverfolgungen unter Kaiser Domitian ca. 80 n. Chr. eingeleitet wurden. Sie dauerte bis zur Regierungszeit Konstantins im Jahre 313 n. Chr.
Vers 11: Der Brief endet mit weiteren tröstenden Worten. Jesus schrieb seinen Brief nicht bloss, um die Gläubigen zu informieren, was ihnen bevorsteht. Er schrieb ihnen, um sie vorzubereiten auf ihre Zeit der Trübsal und um sie zu trösten und zu stärken, damit sie siegreich seien und durchhalten bis ans Ende. Denn auch wenn sie sterben sollten um ihres Glaubens, so wird der zweite Tod = die ewige Verdammnis im Feuersee, keine Macht mehr haben über sie (Offb 20,14-15; 21,8).
V. Schlussfolgerungen
Am Ende unserer Betrachtung möchte ich noch die Frage beantworten: Was hatten die Gemeinden Smyrna und Philadelphia gemeinsam, dass beide von Jesus nicht verurteilt wurden? Beide standen unter Verfolgung! Sie wurden verfolgt von ungläubigen Juden aus der Synagoge Satans, die jede erdenkliche Gelegenheit nutzten, um die Christen auszurotten.
Niemand liebt Trübsal und Verfolgungen. Doch das ist es genau, was den Spreu vom Weizen trennt. Wie der Sturm die toten Zweige von den Bäumen reisst und wie das Feuer unbeständiges Material verbrennt, so reinigt Trübsal und Verfolgung die Gemeinde. Trübsal und Verfolgung ist also nicht das Schlimmste was einer Gemeinde zustossen kann, im Gegenteil!
Dort wo für Christus und seine Gemeinde gelitten wird, dort befinden sich oft die treusten und hingebungsvollsten Christen! Sie müssen nicht ermahnt werden, zur ersten Liebe zurückzukehren! Sie lassen sich nicht so leicht verführen von Irrlehrern! Bei ihnen besteht nicht so sehr die Gefahr, dass sie lauwarm werden oder gar einschlafen und darum wachgerüttelt werden müssen!
Darum, lasst uns von den Gläubigen in Smyrna lernen, dass wir dem Herrn treu sein wollen, selbst wenn wir grosse Trübsal und Verfolgungen für unseren Glauben in Kauf nehmen müssten! (1Petr 4,12-19). Trübsal und Verfolgungen um des Glaubens Willen können ein Zeichen sein, dass wir uns auf dem richtigen Weg zum Himmel befinden! (2Kor 13,5). Unser Glaube soll köstlicher erfunden werden als Gold, das durch Feuer bewährt wird (1Petr 1,6-8). Unser Ringkampf geht nicht wider Fleisch und Blut, sondern gegen die unsichtbaren Mächte der Bosheit (Eph 6,12). „Denn alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden“ (auf irgendeine Art), sagt Paulus (2Tim 3,12).
Jesus forderte seine Jünger zum furchtlosen Bekenntnis auf, indem er sie lehrte: „Fürchtet euch nicht vor denen die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet vielmehr den, der Seele und Leib verderben kann in der Hölle“ (Mt 10,28).
Darum wollen auch wir unseren Herrn bekennen vor den Menschen! Wir müssen keine Gefängnisstrafen und Enthauptungen dafür in Kauf nehmen. Wir werden nicht geschlagen wie die Apostel oder gar verbrannt wie Polykarp.