Gebet-56: Polykarb auf dem Scheiterhaufen

Herr, lehre uns beten!

 

23. Februar 155:

Polykarb, der Bischof von Smyrna, erlitt am 23. Februar des Jahres 155 n. Chr. den Märtyrertod. Zu dieser Zeit fanden die öffentlichen Spiele statt; die Stadt war ausserordentlich belebt und die Menge erregt. Plötzlich wurde der Ruf laut: „Weg mit den Gottlosen, lasst uns Polykarb suchen!“ Sicher hätte Polykarb entkommen können, doch nach einer Traumvision von einem brennenden Kopfkissen hatte er zu seinen Schülern gesagt: „Man wird mich lebendig verbrennen.“ Von einem jungen Sklaven, den man folterte, erfuhr man den Aufenthaltsort Polykarbs. So wurde er gefangengenommen. Er befahl, dass denen, die ihn abholten, ein Festmahl bereitet werde und er bat sich selbst als letzte Gunst eine Stunde des Gebets. Nicht einmal der Polizeihauptmann wollte, dass Polykarb starb. Auf dem kurzen Weg in die Stadt flehte er den alten Mann an: „Was ist schon dabei, ‚Herr ist der Kaiser’ zu sagen und ein Opfer darzubringen, wenn man dadurch vor dem Tode bewahrt bleibt?“ Doch Polykarb blieb unerbittlich. Für ihn war nur Jesus Christus der Herr. Als er die Arena betrat, hörte er eine himmlische Stimme sagen: „Bleibe standhaft, Polykarb.“ Der Prokonsul stellte ihn vor die Wahl, den Namen Jesu Christi zu verfluchen und dem Kaiser zu opfern oder aber zu sterben. „Sechsundachtzig Jahre habe ich ihm gedient“, sagte Polykarb, „in denen er mir nie etwas Böses zugefügt hat. Wie kann ich den König, der mich gerettet hat, verfluchen?“ Als der Prokonsul ihm mit dem Verbrennen drohte, erwiderte Polykarb: „Du drohst mir mit einem zeitlichen Feuer, das rasch erlischt, da du das Feuer nicht kennst, das die Gottlosen beim Jüngsten Gericht erwartet und sie auf ewig bestraft. Warum zögerst du noch? Tu, was du willst, mit mir!“ Trotz der eindringlichsten Reden seiner Verfolger blieb Polykarb unerschütterlich. Aus ihren Werkstätten und aus den Bädern kamen die Menschen mit Reisigbündeln herbei, und die Juden waren es vor allem, die Holz für den Scheiterhaufen herbeischleppten, obwohl Sabbat war und sie den Sabbat schändeten, indem sie Lasten trugen. Als sie Polykarb festbinden wollten, sagte er zu ihnen: „Lasst mich, wie ich bin. Der mir Kraft schenkt, das Feuer zu ertragen, wird mir auch beistehen, dass ich auch ohne die Sicherheit, die mir eure Nägel gewähren, unbeweglich in den Flammen ausharre.“ So banden sie ihn nur ganz locker an den Pfahl und überliessen ihn den Flammen. Dabei sprach Polykarb, das berühmte Gebet:1

Herr, Gott, Allmächtiger, Vater des Sohnes Jesus Christus, durch den wir dich erkannt haben, Gott der Engel und Gewalten, Gott der ganzen Schöpfung und aller Gerechten vor deinem Angesicht, dich preise ich, dass du mir diesen Tag und diese Stunde gewährst, in der ich einer deiner Zeugen sein und teilhaben darf an dem Becher des Christus, um der Auferstehung des Leibes und der Seele zum ewigen Leben willen. Vielleicht darf ich schon heute vor dir stehen als ein willkommenes Opfer, wie du, der Gott ohne Falschheit, der Gott der Wahrheit, es zuvor bereitet und vollbracht hast. Dafür preise ich dich. Gelobet seist du und verherrlicht durch den ewigen himmlischen Hohenpriester Jesus Christus, deinen geliebten Sohn, durch den dir und ihm und dem Heiligen Geist Ehre sei, jetzt und immerdar. Amen.

Was bisher berichtet wurde, entspricht den Tatsachen, alles weitere verliert sich im Legenden-haften. Schliesslich erstach man ihn. „In diesem Augenblick kam eine Taube heraus und viel Blut, so dass das Feuer erstickte, und die Menge wunderte sich, dass ein solcher Unterschied zwischen den Ungläubigen und den Erwählten sei.“ Polykarb starb als Märtyrer des Glaubens, treu bis in den Tod, in Smyrna.

1 Offenbarung des Johannes 1, von William Barclay (Aussaat Verlag Wuppertal, 1970), 83-84.