Gemeinden im Neuen Testament
Galaterbrief & Apostelgeschichte
Thema: Gemeinden, die das Gesetz nicht gegen das Evangelium eintauschen wollen.
I. Was ist mit galatischen Gemeinden gemeint?
Galatien war eine grosse römische Provinz im Herzen der heutigen Türkei. Es erstreckte sich von der Provinz Asia im Westen bis ins östliche Kappadozien (heutiges Kurdengebiet). Am Schwarzen Meer im Norden befanden sich die Provinzen Bithynien und Pontus. Im Süden lagen die Provinzen Pamphylien und Silizien oder Kilikien.
Auf der ersten Missionsreise fuhr Paulus mit seinen Gefährten von der Insel Zypern nach Perge in Pamphylien (Apg 13,13). Im südlichen Teil Galatiens gründete Paulus und Barnabas mindestens drei Gemeinden: Ikonium, Lystra und Derbe (Apg 13,51 - 14,23). Offensichtlich waren zu Pfingsten keine Galater anwesend (Apg 2,1-13). Erst später werden die Galater in mindestens zwei Briefen erwähnt (1Kor 16,1; 1Petr 1,1).
Wenn in der Bibel von galatischen Gemeinden die Rede ist, dann muss wohl mehr die damalige Region des nördlichen und zentralen Asiens gemeint sein und nicht die genaue politische Grenzlinie (Bsp. Apg 16,6; 18,23).
II. Was wissen wir über die Galater?
Paulus und Barnabas verkündigten auch in der Synagoge von Antiochia in Pisidien das Evangelium erfolgreich (Apg 13,14-43.44-50). Viele Heiden freuten sich über die Botschaft und kamen zum Glauben an den Herrn Jesus Christus (Apg 13,48-49). Die Gläubigen in Galatien bestanden mehrheitlich aus Heiden (4,8-10), aber auch aus Juden, die das Evangelium Christi noch nicht ganz begriffen hatten (3,28).
Auf der zweiten Missionsreise besuchte Paulus die galatischen Gemeinden erneut (Apg 16,1-3). In Lystra lernte er Timotheus kennen, der ihm ein treuer Mitarbeiter und Begleiter wurde. Timotheus war Grieche und liess sich beschneiden, damit er unter den Juden keinen Anstoss erregte.
Paulus besuchte auch auf seiner dritten Missionsreise die galatischen Gemeinden (Apg 18,23; 1Kor 16,1-2). Doch schon am Ende seiner ersten Missionsreise schrieb er seinen Brief von Antiochia Syrien an die Galater, kurz vor der Zusammenkunft in Jerusalem (Apg 14,27-28; 15,1-3). Der Brief an die Galater war der erste den Paulus ca. 48 n. Chr. schrieb. Wir wissen nicht, ob Paulus später noch weitere Gemeinden in dieser Gegend gründete.
Der damalige Zeitgeist brachte den Galatern dieselben Probleme wie sie in Jerusalem und anderen Gebieten herrschten, wo es Juden gab. Die Judenchristen behaupteten, dass die Heidenchristen sich trotz Evangeliums an das Gesetz Mose halten müssten, um gerettet werden zu können (Apg 15,1.24). Sie verlangten, dass die gläubig gewordenen Heiden sich beschneiden lassen und den Sabbat halten müssten usw. (Gal 6,12-13). Viele Judenchristen befürchteten wohl die Kontrolle über die Gemeinde zu verlieren.
Für die jungen Gemeinden stellte der jüdisch-heidnische Konflikt im ersten Jahrhundert eine grosse Bedrohung dar. Es ist verständlich, dass die Juden sich anfangs schwer mit der Tatsache abfinden konnten, dass gesetzlich unreine Heiden ihr „unreines“ Leben weiter führen konnten. Selbst der Apostel Petrus brauchte dafür eine göttliche Vision (Apg 10,9-17) und liess sich später trotzdem wieder von strengen Juden beeinflussen (Gal 2,11-21). Auch Paulus verfolgte zuerst die Christen, bis ihm Jesus erschien und ihn eines Besseren belehrte (Apg 9; Gal 1,12-17).
Die Judenchristen mussten lernen, dass die gläubigen Heiden sich nicht an das Gesetz Mose zu halten hatten, sondern allein an das Gesetz Christi (Gal 6,2; Joh 15,9-17). Das Gesetz Mose und der erste Bund wurden als veraltet erklärt (Hebr 8,13). Das Gesetz konnte kein Leben geben, weil kein Mensch es einhalten konnte (Gal 3,21; Röm 3,23). Deshalb gab Gott es den Menschen nur als Zuchtmeister oder Aufseher bis der verheissene Christus kam (Gal 3,24).
Jesus schuf mit seinem Blut am Kreuz den neuen Bund, an dem alle Menschen sich beteiligen dürfen (Mt 26,28). Durch denselben Glauben, wie ihn Abraham hatte bevor das Gesetz in Kraft trat, werden Juden und Heiden zu Söhnen und Töchtern Gottes (Gal 3,26). Durch den Glauben an Jesus Christus zählen Juden und Heiden zu Abrahams Nachkommen (Gal 3,29). Jesus ist der Garant „eines besseren Bundes geworden“ (Hebr 7,22). Wer meinte, er müsse trotzdem einzelne Gesetze einhalten (wie z. B. die Beschneidung), dem nützte und nützt Christus nichts (Gal 2,2).
Nach vielen Unsicherheiten und Verbreitung falscher Lehren beschlossen die Leiter der Gemeinde in Jerusalem samt Paulus und Barnabas, dass von nun an für Juden und Heiden in allen Glaubensangelegenheiten allein das Gesetz Christi galt (Apg 15). Dieser Beschluss, der vom Heiligen Geist bestimmt war, ging schriftlich und mündlich an die jungen Gemeinden der damaligen Zeit (Apg 15,23.27.28; 16,4). In der Übergangsphase war es sicher nichts Abstossendes, wenn Judenchristen sich nach wie vor an das Gesetz Mose hielten bis sie allmählich verstanden, dass es Gott nicht um Äusserlichkeiten ging, sondern um Glaube, der sich in Liebe erwies (Gal 5,6; Röm 14). Die Juden sollen jedoch nicht die Heiden verurteilen und umgekehrt, denn alle Nationen sind nun vor dem Herrn gleich (Gal 3,28). Es ging dem allmächtigen Gott schon immer um das menschliche Herz, doch leider verstanden das die Juden auch im AT nicht (Dtn 10,16; Jer 4,4).
Sinn und Zweck des Galaterbriefes besteht darin, dass Paulus allen verunsicherten Gläubigen klar und deutlich die Freiheit in Christus predigt, zu der sie berufen worden sind. Weil Paulus ihren Glaubensrückfall anprangert (Gal 1,6-9; 3,1; 4,8-11), wird er von einigen als Apostel Christi in Frage gestellt. Deshalb verteidigt er sein Apostelamt am Anfang seines Briefes (Gal 1,1). Dieser Brief enthält die ausdruckstärksten Aussagen, die je von der Feder des Paulus stammten (Gal 4,16). Er beinhaltet auch die Auseinandersetzung, die Paulus mit dem Apostel Petrus hatte über diese jüdisch-heidnische Angelegenheit, die zur Gruppenbildung führte und Heiden aus der Gemeinschaft ausschloss (Gal 2,11-21).
Es ist ein sehr mutiger und aufrichtiger Brief, der die wichtigste Lehrfrage in den Gemeinden des ersten Jahrhunderts behandelte, indem er Gottes Heilsplan für die alle Völker nochmals deutlich unterstreicht. Dazu benutzt Paulus als einleuchtendes Beispiel Hagar und Sara (Gal 4,21-31). Hagar stellt als Sklavin den alten Bund des Gesetzes dar. Sara verkörpert als Freie den neuen Bund Jesu Christi. Die Schlussfolgerung ist, dass wir in Christus vom Gesetz befreit worden sind.
II. Was lernen wir von den Galatern?
Die zehn Gebote sowie die übrigen alttestamentlichen Gesetze des Mose sind heute weder für Juden noch für Heiden gültig.
Es geht nicht um Äusserlichkeiten wie die Beschneidung, sondern um die Beschneidung unserer Herzen (Röm 2,28; Kol 2,11).
Es geht um eine Neuschöpfung, die mit uns innerlich geschieht, wenn wir uns freiwillig zu Christus bekehren lassen durch die Taufe (Gal 3,27; 6,15).
Alle Gläubigen führen in Christus Jesus ihr Leben nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist (Gal 5,16-26). Das heisst, wir sind frei vom Gesetz, aber lassen „die Freiheit nicht zu einem Vorwand für die Selbstsucht“ werden (Gal 5,13). Wir führen unser Leben nach dem Geist und bringen so die Frucht des Geistes (Gal 5,16.22-25). Wer sich vom Geist Christi führen lässt, der sucht das was Jesus und seine Apostel uns gelehrt haben und nicht seinen eigenen Willen.
Es kann im neuen Bund nicht darum gehen, dass die Gläubigen weiterhin Gebote einhalten müssen, wie das in der Übergangsphase im ersten Jahrhundert der Fall war. Die Versammlung in Jerusalem entschied, dass Heidenchristen sich von Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktem und Unzucht enthalten sollten (Apg 15,28). Die Unzucht ist ja wohl allen klar, dass dies nicht Gottes Wille sein kann (1Kor 6,9-11). Aber das Essen von bestimmtem Fleisch und Blut und von Ersticktem zählt zu den Gesetzen des Alten Bundes. Es ging damals darum, unnötigen Anstoss zu vermeiden, den die Heiden ihren jüdischen Glaubensgenossen geben konnten (Röm 14; Gal 6,2). Alles was nicht aus reinem Gewissen geschieht ist auch nicht heilsam (Röm 14,23; 1Kor 6,12).
Es gibt heute noch „jüdische Lehrer“, die die Menschen anweisen zurück ins AT zu gehen, den Sabbat zu halten, sich durch eine Priesterschaft von den übrigen Heiligen abzusondern, Weihrauch verbrennen, mechanische Instrumente gebrauchen in der Anbetung und viele menschliche Gebote als bindend erklären usw. Sie alle sollten sich mit dem Galaterbrief auseinandersetzen. Paulus lehrt, dass es ein Widerspruch ist sich an Teile des ATs zu halten und gleichzeitig das NT zu predigen. Wer in irgendwelchen Gesetzen Gerechtigkeit sucht, fällt aus der Gnade (Gal 5,4).
Wir können heute genauso die Gemeinde der Heiligen spalten, indem wir: Schwarzen oder Weissen, Reichen oder Armen den Zugang verwehren, Frauen, Kinder und ältere Menschen unterdrücken und uns von ungemütlichen Geschwistern trennen und Gruppen bilden.
Christus schämt sich nicht, fehlbare aber einsichtige Menschen aufzunehmen in sein Reich und sie seine Brüder und Schwester zu nennen (Hebr 2,11).