Begriffe1-21: Leitourgia – der Dienst der Christen

Griechische Begriffe 1

21.  Leitourgia = Gottesdienst

von William Barclay

 

Leitourgia, von dem unser Wort Liturgie (Gottesdienst) kommt, und die ihm verwandten Begriffe bilden eine Wortgruppe von höchstem Interesse. Im klassischen und hellenistischen Griechisch entwickelten sich diese Wörter folgendermassen:
1. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt bedeutete das Verb leitourgein, dem Staat freiwillig zu dienen, aus Patriotismus freiwillig öffentliche Aufgaben zu übernehmen.

2. Später erlangte es die Bedeutung, den Dienst auszuführen, den der Staat besonders dazu geeigneten Personen zudachte. Der Dienst blieb derselbe; der Unterschied lag nur darin, dass er früher freiwillig getan wurde, während er jetzt zur Pflicht geworden war. Bestimmte Dienst-leistungen konnten von jedem Bürger verlangt werden, der mehr als 3 Talente (heute etwa € 4000.-) besass. Vier typische Dienstleistungen können wir hier nennen: a) Choregia bedeutet, für alle Ausgaben aufzukommen, welche die Unterhaltung und Schulung eines Chores für grosse dramatische Aufführungen erfordert. b) Gymnasarchia bezeichnet das Zahlen der Ausgaben, die das Training aussergewöhnlich begabter Athleten verursachte. c) Architheoria kennzeichnet die Deckung der Kosten für Botschafter, die vom Staat zu feierlichen oder religiösen Anlässen ausgesandt wurden. d) Trierarchia bedeutet, die Unkosten für Kriegsschiffe in Krisenzeiten zu bezahlen. Noch in späterer Zeit wurden, vor allem in Ägypten, alle kommunalen Pflichten mit leitourgiai bezeichnet. Der Staat erwählte einen geeigneten Bürger, der dann nach seinem Vermögen, seiner Stadt, seinem Dorf oder Bezirk zu dienen hatte.

3. Noch später bezeichnet leitourgein jegliche Dienstleistung. Es wird z. B. gebraucht für Tänzerinnen, Flötenspieler, Musiker, die zur Unterhaltung gedingt wurden, für einen Arbeiter der irgendeinem Herrn diente, ja sogar für die Dienste einer Prostituierten.

4. Zur Zeit des Neuen Testaments war leitourgein das reguläre Wort für den Dienst, den ein Priester oder ein Diener im Tempel der Götter tat. So lesen wir von den Zwillingen Thaues und Taous, die in dem grossen Serapis Heiligtum in Memphis dienten.

Im NT finden die Wörter drei hauptsächliche Anwendungen.
1. bezeichnet es den gegenseitigen Dienst der Menschen untereinander. So gebraucht Paulus leitourgein und leitourgia für die Sammlung zugunsten der armen Christen in Jerusalem (Röm 15,27; 2 Kor 9,12). Er benutzt es für den Dienst der Philipper und des Epaphroditus an ihm selbst (Phil 2,17.30). Anderen zu dienen ist eine leitourgia, die den Bürgern des Reiches von Gott auferlegt wird.

2. Diese Worte kennzeichnen den eigentlichen religiösen Dienst (Lk 1,23; Apg 13,2). Sie werden für den hohepriesterlichen Dienst Jesu gebraucht (Hebr 8,2.6). Unser Dienst in der Gemeinde ist eine leitourgia, die uns von Gott verordnet ist.

3. Es gibt zwei besonders interessante Anwendungen bei Paulus. a) Der Magistrat, der die Macht ausübt, wird von Paulus ein leitourgos genannt (Röm 13,6). Ein Mann soll seinen öffentlichen Dienst für Gott tun. b) Der Apostel Paulus benutzt es auch für sich selbst, er nennt sich einen leitourgos Christi für die Heiden (Röm 15,16). Genau wie Athen früher leitourgoi als Repräsentanten aussandte, so wurde Paulus von Gott zu den Heiden geschickt. Vielleicht ist es die interessanteste Tatsache hinsichtlich des Wortes leitourgos, dass es im späteren Griechisch einfach Arbeiter bedeutet, denn hier sehen wir die grosse Wahrheit, dass alle Arbeit eine „Liturgie“ sein soll, die uns von Gott gegeben ist und dass die einfachste Aufgabe eine herrliche ist, wenn wir sie für Gott tun.

Wir haben erfahren, dass leitourgia einen doppelten Hintergrund hat. Einmal beschreibt es den freiwilligen, spontanen Dienst. Zum anderen bezeichnet es die Pflichten, die der Staat von seinen Bürgern erwartet. So dient der Christ Gott und den Menschen, weil dies das Verlangen seines Herzens ist und weil die Liebe Christi ihn dazu drängt.