Kleine Propheten-1: Allgemeine Einführung

Die kleinen Propheten

 

 

 I.   Grundprinzipien zum Verständnis der Propheten

Der Prophet war ein Mann, der vom Heiligen Geist Gottes getrieben zum Volk predigte (2 Petr 1,20-21). Jesaja 1,10: „Hört das Wort des Herrn …“ (z. B. am Anfang einer Aussage). Amos 6,14: „Spruch des Herrn …“ (oder: „So spricht der Herr …“). Jeremia 6,15: „… spricht der Herr“ (am Ende einer Ansage).

Es gibt aber auch andere Personen, die im AT Propheten genannt wurden: Abraham und Mose (Gen 20,7; Dtn 18,15; Ps 105,7.15). Samuel (1 Sam 3,20), Nathan (2 Sam 7,2), Achija (1 Kön 11,29), Elija (1 Kön 17,24), Elisa (1 Kön 19,15-16; 2 Kön 2,15), Michajehu (1 Kön 22,9.14) und viele andere. 3. Auch Frauen traten als Prophetinnen auf: Deborah (Rich 4,4), Mirjam (Ex 15,20), Hulda oder Chulda (2 Kön 22,14). Auch die heidnischen Nationen hatten ihre Propheten: Propheten des Baal und der Aschera, die Isebel ins Land holte (1 Kön 18,19). Die Seher Babels, die beschränkt waren in ihren Diensten (Dan 2,27). Dann gab es auch viele falsche Propheten: Zidkija und die Lügenpropheten, die gegen Michajehu weissagten (1 Kön 22,11-12). Ein alter Lügenprophet (1 Kön 13,11-19). Chananja, der gegen Jeremia auftrat (Jer 28). Propheten, die im Namen des Baals weissagten (Jer 2,8).

Der von Gott eingesetzte Prophet musste das Gesetz Mose in Erinnerung rufen (2 Kön 17,13). Die Aufgabe eines Propheten bestand nicht darin, mit seinen Aussagen den Menschen zu imponieren oder zu gefallen (1 Kön 22,8.13-14). Der Herr wies sein Volk durch seine auserlesenen Propheten zurecht und legte seine Worte in ihren Mund (Jer 1,9): „Sieh, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ Wenn der Herr sein Volk zurechtwies, dann gefiel das den Wenigsten (1 Sam 3,11-14).

Der wahre Prophet war der, dessen Weissagungen in Kürze eintrafen (Dtn 18,20-22). Nur Gott kennt die Zukunft genau und lässt sie durch seine Propheten verkündigen. Seine Prophezeiungen enthalten Gottes Bedingungen für sein Volk (Jer 18,5-11). Er wird manchmal auch genannt: „Seher“ (1 Sam 9,9), „Mann Gottes“ oder „Gottes Mann“ (1 Kön 13,1), „Diener“ Gottes (2 Kön 17,23), „Boten Gottes“ (2 Chr 36,16), „Mann des Geistes“ (Hos 9,7), „Menschensohn“ (Ez 2,1.3.6; 3,1.3.4.10.17.25 usw.). Über 400 Mal kommt das Wort nabi (Prophet) im AT vor, davon 110 Mal in Verbform. Jeder Prophet diente als „Mund“ Gottes (Ex 4,16; 7,1). In den meisten Fällen betreffen die Voraussagen die unmittelbare Zukunft des Volkes. Weniger als 2% aller alttestamentlichen Prophezeiungen ist messianisch. Weniger als 5% beschreibt besonders das Zeitalter des Neuen Bundes. Weniger als 1% bezieht sich auf Ereignisse, die noch kommen sollten. Der Prophet machte aber auch Verheissungen auf den kommenden Messias. Denn Gottes endgültige Offenbarungen fanden mit Jesus Christus seinen Höhepunkt (Hebr 1,1-2). Alle Propheten, ausser Obadja und Nahum werden im NT zitiert. Der Prophet im AT unterscheidet sich stark von den Propheten der heidnischen Völker. Er ist weder Zauberer, noch Wahrsager, noch Zeichendeuter, noch einer, der einen Totengeist befragt (Dtn 18,9-15). Er wird von Gott zum Wächter eingesetzt, der sich auf die Mauer stellen sollte, um Gottes Volk zu warnen (Ez 33). Ein wichtiger Schlüssel um die Propheten richtig zu verstehen ist, die Voraussagen als bereits erfüllt zu betrachten. Wenn wir im Alten Testament lesen, dann schauen wir zeitlich zurück, während die Ereignisse für die Menschen damals noch bevorstanden. Beispiel: Jeremias Vorhersagen (Jer 19,1-2.10-15, verglichen mit 2 Kön 25,1-11). Wer die Worte der Propheten hauptsächlich als Weissagungen für die Zukunft betrachtet, der missversteht ihre Aufgabe als Diener Gottes für die eigenen Zeitgenossen.

Die grossen und kleinen Propheten werden so genannt, weil sich dies auf die Länge ihrer Schreiben bezieht und nicht etwa auf ihre Wichtigkeit. Es gibt vier grosse Propheten: Jesaja (740-685 v. Chr.), Jeremia (627-580 v. Chr.), Hesekiel (593-571 v. Chr.), Daniel (605-535 v. Chr.). Wir befassen uns mit den zwölf kleinen Propheten (siehe Tabellen), die in der hebräischen Bibel, zusammen mit anderen Propheten, in einem Buch vereint sind.

 

 II.   Die Zeit der Propheten

In der Bibel werden die Propheten nach ihrer entsprechenden Wirksamkeit aufgereiht. Doch diese Wirksamkeit, d. h. die Daten der jeweiligen Propheten sind umstritten und fallen deshalb auch unterschiedlich aus. Trotz der unterschiedlichen Datenbestimmung wird hier auf eine neue Einteilung der Bibelbücher verzichtet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die grobe Einteilung in drei wichtige Zeitperioden (siehe dazu Tabellen): Assyrische Periode (achtes Jahrhundert). Babylonische Periode (siebtes und sechstes Jahrhundert). Persische Periode (fünftes und sechstes Jahrhundert).

 

 III. Die Botschaft der Propheten

Die grosse Botschaft lautet: Gott ist immer noch Gott! Und wir sollten IHN ernst nehmen, denn er weiss was er tut und hat den perfekten Überblick über die Weltgeschichte. Galater 6,7: „Täuscht euch nicht: Gott lässt sich nicht verhöhnen! Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten.“ Gott gab Mose genaue Anweisungen zu den Zehn Geboten und dem ganzen mosaischen Gesetz und versprach dem Volk Segen oder Fluch bei Einhaltung, resp. Nichteinhaltung (Lev 26,1-13.14-39; Dtn 4,15-28.32-40; 28,1-14.15-32,42). Die Propheten haben also nichts Neues erfunden oder verkündigt, sondern versuchten vielmehr das alttestamentliche Gesetz Gottes durchzusetzen.

Die meisten Propheten fordern das Volk auf umzukehren: „Kehrt um, oder Unheil wird über euch kommen!“ Umkehr war absolut notwendig (Jes 1,16-27; Jer 26,26,13; Joel 2,12-14; Am 5,4-6; Jona, Zef. 2,3). Das Volk hatte sich versündigt durch Götzendienst und soziale Ungerechtigkeiten (z. B. Hos 1,4; 4,1-19; Am 7,11; Mich 1,3-5;2,1-2). Gott verlangt von den Gläubigen nicht bloss Rituale, sondern Hingabe durch einen gerechten Lebensstil (Jes 1,12-17; Am 4,1-5; 5,21-24; Mich 6,6-8; Sach 7,8-10). Das kommende Unheil oder die Zerstörung wird oft als der „Tag des Herrn“ bezeichnet (Jes 13,6.9; Jer 46,10; Joel 1,15; Zef 1,14-15). Um Israel zu züchtigen, benutzte Gott andere Nationen (Jer 27,5-6). Das bevorzugte Volk blieb vor dem Untergang nicht verschont (Jer 7,4). Die Propheten versprechen aber auch Hoffnung für die Zukunft, wenn das Volk sich wieder Gott zuwendet. Es ist von einem „Rest“ die Rede, der gerettet wird (siehe Amos 3,12; Mi 2,12; 4,6-7; Ze. 3,12-13). Wer umkehrt wird von Gott gesegnet werden (Hos 14,4-7; Joel 3,16-17; Am 9,14-15; Mi 7,18-20). Die Propheten weisen auch auf das christliche Zeitalter hin (Jeremia 31,31-40; Joel 2,28-32; Amos 9,11-12; Micha 4,1-7; 5,2). Es gibt über 300 Prophezeiungen im AT, die im NT erfüllt werden! Das Neue Testament lehrt, dass die meisten (wenn nicht alle) der alttestamentlichen Prophezeiungen bezüglich Jesus Christus wurden bei seinem ersten Kommen erfüllt und bei der Gründung seiner Gemeinde, d. h. seines Reiches.

Die Sprache der verschiedenen Zeitformen: Warum spricht ein Prophet in der Vergangenheit? Jesaja 53,9-10 ist in der Zukunftsform geschrieben, nachdem die Leiden vollendet sind. Die prophetische Sprache benützt auch das Perfekt um anzudeuten, dass das bevorstehende Ereignis so gut wie schon geschehen ist. Z. Bsp.: „Gefallen, gefallen ist das grosse Babylon.“ In Jesaja 53 wird in die Zukunft geschaut und betrachtet die Leiden als vollendet (siehe Verse 9-10, die Konsequenzen).

Antisemitismus im 21. Jahrhundert ist zwar moralisch verwerflich, ebenso wie Rassendiskriminierung. Dies darf jedoch nicht nur in Bezug auf Israel beschränkt werden. Israel „im Fleisch“ hat im heutigen Heilsgeschehen keine besondere Stellung mehr, da sich die Propheten durch das (erste) Kommen Jesu Christi erfüllten (Lk 4,17-21).

 

 IV. Wichtige Ereignisse

- Der Untergang Israels durch die Assyrer (722 v. Chr.).

- Der Untergang Ninives durch die Babylonier, Meder und Skythen (612 v. Chr.).

- Die Schlacht bei Karkemisch, durch die die Babylonier über den mittleren Osten Dominanz erhielten (606/5 v. Chr.).

- Der Untergang Judas durch die Babylonier (586 v. Chr.).

- Der Untergang Babylons durch die Meder und Perser (539/8 v. Chr.).

- Der Entscheid (Dekret) der Perser, die im Exil lebenden Juden in ihr Heimatland zu entlassen. Rückkehr durch Serubbabel (536 v. Chr.).

- Vollendung und Einweihung des zweiten Tempels (516/5 v. Chr.).

- Weitere Rückkehr durch Esra, Wiederaufbau der Mauern Jerusalems durch Nehemia (458/7 und 445/4 v. Chr.).

 

Link:

- Auslegung-13: Prophetische Bücher